Paläontologie

„Vergoldeter“ Ur-Gliederfüßer entdeckt

450 Millionen Jahre alter Urzeit-Arthropode „Lomankus edgecombei“ gibt Rätsel auf

Lebendrekonstruktion von Lomankus edgecombei
So könnte der ungewöhnliche Gliederfüßer zu Lebzeiten ausgesehen haben. © Xiaodong Wang

Goldener Gliederfüßer: Im US-Bundesstaat New York haben Paläontologen das golden schimmernde Fossil eines zuvor unbekannten Urzeit-Arthropoden entdeckt. Seinen ungewöhnlichen Glanz erhält das Relikt durch das Mineral Pyrit – auch als Katzengold bekannt. „Lomankus edgecombei“ lebte vor 450 Millionen Jahren am sauerstoffarmen Grund eines Meeres und war nicht einmal so groß wie ein kleiner Finger. Außerdem besaß das Tier keine Augen und weist auch sonst einige ungewöhnliche Merkmale auf.

Im Zeitalter des Kambriums vor 541 bis 485 Millionen Jahren spielte sich ein Großteil des Lebens in den Ozeanen ab. Zu den furchterregendsten Räubern gehörten aquatische Gliederfüßer wie der einen Meter lange Anomalocaris oder Angehörige der sogenannten Megacheira – zu Deutsch „große Hände“. Diese gepanzerten Räuber fingen ihre Beute einst mit scherenartigen Kopfanhängseln. Ihr Auftritt auf der Bühne des Lebens währte nach Ansicht von Paläontologen allerdings nicht lange. Im Ordovizium vor 485 bis 443 Millionen Jahren waren die Megacheira wahrscheinlich bereits weitgehend ausgestorben.

Ein Gliederfüßer ohne Scheren und Augen

Im US-Bundesstaat New York haben Paläontologen um Luke Parry von der University of Oxford nun einen neuen Angehörigen dieser seltenen Ordovizium-Megacheira gefunden. Der „Lomankus edgecombei“ getaufte Gliederfüßer war nur wenige Zentimeter groß und durchschwamm die ordovizischen Meere vor 450 Millionen Jahren. Er und seine fossilen Überreste weisen dabei einige Besonderheiten auf, die ihn von anderen Angehörigen der Megacheira unterscheiden.

So handelt es sich bei den Kopfanhängseln von Lomankus zum Beispiel nicht um klauenartige Greifer, sondern um peitschenartige Geißeln, wie Parry und seine Kollegen berichten. Zum Beutefang dürften diese Geißeln nicht getaugt haben, dafür aber wahrscheinlich zur besseren Wahrnehmung der Umwelt. Diese sensorische Unterstützung hatte der kleine Gliederfüßer auch dringend nötig, denn er besaß keine Augen und lebte wahrscheinlich in dunklen, sauerstoffarmen Bereichen des Ordovizium-Meeres, wie das Team vermutet.

Katzengold als Trumpf

Diesem sauerstoffarmen Lebensraum ist es auch zu verdanken, dass die hauchzarten Besonderheiten von Lomankus überhaupt bis heute erhalten geblieben sind. Nachdem der Gliederfüßer vor 450 Millionen Jahren gestorben war und von Sediment begraben wurde, setzte aufgrund dieser anoxischen Bedingungen eine besondere Form der Mineralisierung ein: Teile des organischen Materials wurden durch das Mineral Pyrit (FeS2) ersetzt.

Lomankus-Fossil
Die Lomankus-Fossilien schimmern golden. © Luke Parry

Das auch als Katzengold bekannte Eisensulfid-Mineral verleiht Fossilien einen goldenen Schimmer und kann verborgene Details ihrer Anatomie enthüllen. Aufgrund seiner hohen Dichte ermöglicht es zum Beispiel detaillierte Scans im Computertomografen, auf deren Basis ein Fossil dreidimensional rekonstruiert werden kann.

Neues zur Evolution der Gliederfüßer

Im Falle von Lomankus stießen Parry und Team dank des Pyrits unter anderem auf die fadenförmigen „Ärmchen“ des Gliederfüßers, die nun mehr über die Evolutionsgeschichte der Megacheira verraten. „Lomankus stellt keine ‚Sackgasse‘ dar, sondern zeigt uns, dass sich die Megacheira noch lange nach dem Kambrium weiter diversifiziert und entwickelt haben, wobei das ehemals furchterregende große Anhängsel nun eine völlig andere Funktion erfüllt“, erklärt Parry.

3D-Scans vom Kopf
3D-Scan des Kopfbereiches von Lomankus © Luke Parry (Fotografie), Yu Liu, Ruixin Ran (3D-Modelle)

Gleichzeitig lassen die ungewöhnlichen Kopfanhängsel von Lomankus vermuten, dass es sich sowohl bei ihnen als auch bei den Greifern früherer Megacheira um das Äquivalent zu den Fühlern von Insekten beziehungsweise den Mundwerkzeugen von Spinnen und Skorpionen gehandelt haben muss, wie Parry und seine Kollegen berichten. (Current Biology, 2024; doi: 10.1016/j.cub.2024.10.013

Quelle: University of Oxford

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