Aus Ägypten stammende Bockshornkleesamen sind höchstwahrscheinlich für die gefährlichen EHEC-Epidemien in Deutschland und Frankreich verantwortlich. Dies haben epidemiologische Untersuchungen und die Verfolgung von Samenlieferungen durch eine eigens dafür gegründete EHEC-Task Force unter Leitung der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA gezeigt. An den Folgen einer Infektion mit dem aggressiven EHEC-Erreger vom Stamm O104:H4 sind in den beiden Ländern bisher bereits 49 Menschen gestorben.
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Die Experten empfehlen deshalb ebenso wie die deutschen Behörden, keine Sprossen für den Eigenbedarf zu ziehen und keine Sprossen oder Keimlinge zu verzehren, die nicht gründlich durchgegart wurden. Grund: Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand ist es möglich, dass noch mit EHEC kontaminierte Samen im Umlauf sind. Die Europäische Union hat gestern zudem den Import bestimmter Samenarten aus Ägypten vorübergehend untersagt.
Ursache der Verunreinigung unklar
EU-Kommissar John Dalli, zuständig für Gesundheit und Verbraucherschutz, erklärte sazu: „Auf der Grundlage des heute veröffentlichten Berichts nehmen wir einige ägyptische Samen vom Markt und setzen die Einfuhr aller Samen und Bohnen aus diesem Land vorübergehend aus. Die Kommission wird die Lage auch weiterhin sehr genau überwachen und gegebenenfalls zusätzliche Maßnahme ergreifen.“
Der Bericht der EFSA macht eine bestimmte Charge importierter Bockshornkleesamen als die wahrscheinlichste Verbindung zwischen den EHEC-Ausbrüchen in Norddeutschland und der Region um Bordeaux in Frankreich aus. Unklar ist, wie genau es zur Verunreinigung kam, sie erfolgte jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit vor dem Export.
Einfuhrverbot bis 31. Oktober 2011
Die Einfuhr der folgenden Samen und Bohnen zur Sprossenherstellung wird laut der EU-Kommission bis zum 31. Oktober 2011 ausgesetzt: Samen, Früchte und Sporen zur Aussaat; Hülsenfrüchte, auch ausgelöst, frisch oder gekühlt; Samen von Bockshornklee; getrocknete ausgelöste Hülsenfrüchte, auch geschält oder zerkleinert; Sojabohnen, auch geschrotet; andere Ölsamen und ölhaltige Früchte, auch geschrotet.
Insgesamt führte die EU im letzten Jahr 49.000 Tonnen dieser Samen und Bohnen im Wert von über 56 Millionen Euro aus Ägypten ein. Die meisten ihrer Samen zur Sprossenherstellung bezieht die EU aber aus Indien und China. Bislang gibt es laut dem deutschen Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) keine konkreten Hinweise darauf, dass auch andere Samenarten und -chargen durch unhygienische Produktionsbedingungen im Herkunftsland oder bei Reinigungs-, Misch-, Abfüllprozessen mit dem Ausbruchstamm kontaminiert wurden. Dennoch sei dies möglich.
Gewürz- und Heilmittel
Bockshornkleesamen werden schon lange als Gewürz und auch als Heilmittel eingesetzt. Sie finden sich daher in einer Vielzahl verschiedener Produkte, unter anderem in Nahrungsergänzungsmitteln. Bisher gibt es keinen Hinweis darauf, dass außer Sprossen auch andere, aus Bockshornkleesamen hergestellte Produkte EHEC O104:H4-Infektionen verursacht haben. Dennoch kann derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass vereinzelte Erreger unter bestimmten Bedingungen auch in oder auf den Samen überleben können. Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse zur Ausbruchsursache arbeitet das BfR an einer gesundheitlichen Bewertung von verarbeiteten und unverarbeiteten Bockshornkleesamen in anderen Produkten außer Sprossen.
(Europäische Kommission / BfR, BVL und RKI, 06.07.2011 – DLO)