Alle in Deckung, es wird scharf geschossen! Zaubernussgewächse verteilen ihre Samen, indem sie diese wie Kanonenkugeln in verschiedene Richtungen feuern. Forschende haben die Schusstechnik nun mit einer Hochgeschwindigkeits-Kamera gefilmt und herausgefunden, wie den Pflanzen Schussgeschwindigkeiten von bis zu 30 Kilometer pro Stunde gelingen. Demnach verwenden sie einen speziellen, sprungfederartigen Mechanismus, der sich auch in der Robotik nutzen lassen könnte.
Damit Pflanzen neue Standorte erobern können, müssen sie ihre Samen zunächst möglichst weit verstreuen. Doch da Bäume und Co. wortwörtlich festgewurzelt sind, brauchen sie dabei Hilfe, zum Beispiel in Form des Windes oder fruchtfressender Tiere, die die Samen dann mit ihrem Kot verteilen.
Ein holziges Maschinengewehr
Eine ganz besondere Technik zur Samenstreuung haben die Zaubernussgewächse (Hamamelidaceae) entwickelt. Statt sich auf Wind oder Tiere zu verlassen, verteilen die Blütensträucher ihre Samen einfach selbst und zwar ähnlich wie ein Maschinengewehr. Sobald die holzigen Fruchtkapseln aufbrechen, schießen die Zaubernüsse ihre Samen wie Munition heraus und erzielen dabei Geschwindigkeiten von bis zu 30 Kilometer pro Stunde.
„Wenn man blinzelt, verpasst man es“, sagt Justin Jorge von der Duke University in North Carolina. Zusammen mit seiner Kollegin Sheila Patek hat er den haubitzenartigen Mechanismus hinter den Samenschüssen daher jetzt mit einer Hochgeschwindigkeits-Videokamera erforscht, die 100.000 Bilder pro Sekunde aufnimmt. So wollten die beiden herausfinden, wie genau den Zaubernüssen die kräftigen Schüsse gelingen.
Schuss-Mechanismus für Robotik nutzbar
Das Videomaterial offenbart: Bevor es zum Schuss kommt, trocknet zunächst die Fruchtkapsel um die Samen herum aus und verformt sich dabei. Irgendwann drücken sich auch die Wände der Kapsel ein, üben großen Druck auf den Samen aus und ballern ihn so schließlich hinaus in die Welt. „Das ist so ähnlich, wie man einen Wassermelonenkern herausschießen kann, wenn man ihn zwischen den Fingern zerdrückt“, erklärt Jorge. Beidem liege ein sprungfederartiger Mechanismus zugrunde.
Die neuen Erkenntnisse helfen allerdings nicht nur dabei, das mysteriöse Leben der Zaubernuss besser zu verstehen. Gleichzeitig könnten die „Sprungfedern“ der Pflanze auch zu besseren Designs für Roboter führen. „Wenn wir an federnde Dinge denken, denken wir normalerweise an Gummibänder, Spulen oder Bogenschießen. Aber in der Biologie haben wir all diese seltsamen, komplexen Formen“, sagt Jorge.
„Vielleicht haben diese Formen einige Vorteile, die man nutzen kann, um das Design von synthetischen Federn zu verbessern, wie sie in kleinen Springrobotern verwendet werden. Aber zuerst müssen wir verstehen, wie diese biologischen Federn funktionieren“, so Jorge weiter. (Journal of The Royal Society Interface, 2023; doi: 10.1098/rsif.2023.0234)
Quelle: Journal of The Royal Society Interface