Rhythmus im Blut: Diese Schopfgibbon-Dame legt gerade eine flotte Sohle aufs Parkett – ein Verhalten, das bereits bei allen Arten ihrer Gattung beobachtet wurde. Sowohl in Gefangenschaft als auch in der Wildnis zeigen weibliche geschlechtsreife Schopfgibbons immer wieder abgehackte „Robotertänze“. Nun haben Biologen endlich auch Zweck und Choreographie dieser Tänze aufgeklärt.
Auch wenn es längst nicht jeder gerne tut: Der Drang zu tanzen und die Fähigkeit, sich im Rhythmus der Musik zu bewegen, sind bei uns Menschen angeboren. Auch bei anderen Primaten gibt es Hinweise auf eine ausgeprägte Tanzleidenschaft: So wurden zwei Schimpansen-Weibchen im Zoo von St. Louis etwa bereits dabei beobachtet, wie sie in ihrem Gehege „Conga“ tanzten.
Eine Mischung aus Roboter und Model
Auch weibliche Schopfgibbons haben einige besondere Moves auf Lager, die sie sowohl in Zoos als auch in der freien Wildbahn aufs Parkett bringen. Der Tanzstil der langarmigen Primaten ist allerdings stark abgehackt und ähnelt dem menschlichen „Robotertanz“. Die Gibbons sehen dabei ein wenig aus wie Models, die bei jedem Aufblitzen der Kamera eine neue Pose parat haben. Aber warum tanzen die kleinen Menschenaffen überhaupt?
Forschende um Camille Coye vom Institut Jean Nicod in Paris haben die Tanz-Choreographien der Schopfgibbons und deren Zweck nun erstmals umfassend wissenschaftlich untersucht. Dafür analysierten sie Tanzvideos von vier verschiedenen Schopfgibbon-Spezies hinsichtlich ihrer Rhythmik. Zusätzlich führte das Team eine Umfrage unter Zoos und Auffangstationen durch, in der Tierpfleger und andere Bezugspersonen angeben sollten, zu welchen Anlässen die Gibbon-Weibchen ihre Tänze aufführen.
Gibbons haben Rhythmus im Blut
Das Ergebnis: „Wir erkennen in den Gibbon-Tänzen ein breites Spektrum an Komplexität“, berichten Coye und ihre Kollegen. Demnach kombinierten die tanzenden Weibchen häufig verschiedene Bewegungstypen miteinander, wippten innerhalb einer Tanzeinlage also zum Beispiel mit dem ganzen Körper, bewegten sich dann auf und ab und schließlich von links nach rechts.
Diese Tanz-Moves erfolgten außerdem in regelmäßigen rhythmischen Mustern, vergleichbar mit dem Ticken einer Uhr. Forschende bezeichnen einen solchen, sich wiederholenden Rhythmus als Isochronie. Dieselbe Regelmäßigkeit war zuvor bereits bei den Gesangsduetten von Weißhandgibbons beobachtet worden.
Welchem Zweck dienen die Tänze?
Doch warum tanzen Schopfgibbon-Weibchen überhaupt? Wie die Umfrage unter Zoos und Auffangstationen ergeben hat, finden die Tänze vor allem im Zusammenhang mit der Kopulation statt. Die Tanz-Moves sind häufig an ein bestimmtes Männchen adressiert, mit dem sich das Weibchen fortpflanzen möchte. Genauso, wie Menschen beim Tanzen in Clubs sich und ihre Reize optimal zur Geltung bringen wollen, tun dies offenbar auch die Gibbon-Damen.
Dazu passt auch, dass nur geschlechtsreife Weibchen tanzen und dass die Tänzerinnen offenbar großen Wert auf die Aufmerksamkeit ihres Publikums legen. In rund zwei Drittel der beobachteten Tänze vergewisserten sich die Gibbons, dass die Adressaten ihrer Tänze noch zuschauten. Das beabsichtigte Publikum bestand jedoch längst nicht nur aus männlichen Artgenossen, sondern häufig auch aus menschlichen Bezugspersonen.
Bei ihren Pflegern wollten die tanzenden Weibchen aber wahrscheinlich einfach nur generelle, nicht-sexuelle Aufmerksamkeit erregen, wie die Studie ergeben hat. Die Affendamen tanzten dementsprechend vor allem zur Fütterungszeit oder wenn sie anderweitig Zeit mit ihren Pflegern verbrachten. (Primates, 2024; doi: 10.1007/s10329-024-01154-4)
Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Primates