Forscher schlagen Alarm: Ihren Berechnungen nach sind vier von neun planetaren Belastungsgrenzen der Erde bereits überschritten. Dadurch ist die Stabilität des Systems Erde gefährdet – das irdische Gleichgewicht könnte sich in einem neuen, für den Menschen ungünstigeren Zustand einpendeln. Die Überschreitung gilt bereits für den Klimawandel, die Artenvielfalt, die Landnutzung und die Stickstoff- und Phosphor-Kreisläufe, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.
Das System Erde ist ziemlich widerstandsfähig: Es kann einiges an Veränderungen abpuffern und ausgleichen. Doch es gibt Grenzen der Belastung. Werden sie überschritten, dann verändert sich die Umwelt auf unserem Planeten so, dass es für uns Menschen weniger lebensfreundlich wird. Studien zeigen, dass neun Prozesse und Systeme die Stabilität und Widerstandskraft des Erdsystems bestimmen. Sie bestimmen die Wechselwirkungen zwischen Land, Ozeanen, Atmosphäre und Lebewesen, die zusammen die Umweltbedingungen ausmachen, an die wir gewöhnt sind.
Vier von neun überschritten
Will Steffen von der Universität Stockholm und sein internationales Team haben nun festgestellt, dass vier dieser neun planetaren Grenzwerte bereits überschritten sein könnten: Dies betrifft den Klimawandel, die Biodiversität, die Landnutzung und biogeochemische Kreisläufe, insbesondere den Stickstoff-Phosphor-Kreislauf. Beide Elemente sind ein wichtiger Pflanzennährstoff, doch die künstliche Düngung belastet zunehmend Böden und Gewässer.
11.700 Jahre lang, bis vor rund 100 Jahren, befand sich die Erde in einem „bemerkenswert stabilen Zustand“, wie die Forscher erklären. Doch seither hat sich die menschliche Kultur und Gesellschaft enorm verändert, technologische Fortschritte ermöglichten nun weitaus tiefgreifendere Eingriffe in das System Erde. So beeinträchtigt die industrialisierte Landwirtschaft immer stärker die Artenvielfalt, die Stoffkreisläufe und die zur Verfügung stehenden Lebensräume. Industrie, Verkehr und Energieproduktion stoßen Treibhausgase aus und verändern das Klimasystem.
Klimawandel: Zwei Grad sind das Minimum
Beim Klimawandel liegt die planetare Belastungsgrenze nach Angaben der Forscher bei etwa 350 ppm (parts per million). „Diese Grenze ist gleichbedeutend mit einer Stabilisierung der globalen Temperaturen bei etwa 1,5 Grad über vorindustriellem Niveau“, erklärt Ko-Autor Johan Rockström vom Stockholm Resilience Centre. Doch der aktuelle CO2-Wert hat diese Grenze längst überschritten, aktuell liegt der Wert bei 399 ppm –Tendenz steigend.
Im Dezember 2015 soll auf der Weltklimakonferenz in Paris eine internationale Vereinbarung beschlossen werden, die den Temperaturanstieg wenigstens auf maximal 2 Grad über vorindustriellem Niveau begrenzen soll. „Unsere Analyse zeigt, dass dieses Ziel – auch wenn es erfolgreich eingehalten wird – noch große Risiken für Gesellschaften überall auf der Welt mit sich bringt“, sagt Rockström. „Die zwei Grad sollten daher nicht nur als ein notwendiges Ziel betrachtet werden, sondern als ein Mindestziel der weltweiten Klimastabilisierung.“
Regional schon mehr Grenzen überschritten
„Durch das Überschreiten dieser Grenzen erhöht sich das Risiko, dass der Einfluss des Menschen die Erde weniger lebensfreundlich macht, dass Bemühungen zur Armutsbekämpfung beeinträchtigt werden, und dass sich das menschliche Wohlergehen in vielen Teilen der Welt verschlechtern könnte, auch in reichen“, sagt Steffen.
Selbst einige der Grenzen, die global noch nicht überschritten sind, übersteigen regional bereits ihre Toleranzlimits, wie die Forscher berichten. Dazu gehört unter anderem der Wasserverbrauch im Westen der USA sowie in Teilen Südeuropas, Asiens und des Mittleren Ostens. „Helfen können hier Methoden zur effizienteren Wassernutzung in der Landwirtschaft, um mit weniger Wasser auf gleicher Fläche womöglich mehr Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung zu erzeugen.“
Eng verzahntes System
„Die Herausforderungen für die Gesellschaft, innerhalb der verschiedenen planetaren Grenzen zu bleiben, erfordert umsichtiges Handeln“, sagt Ko-Autor Dieter Gerten vom PIK. Das Problem dabei: Die Grenzen hängen eng miteinander zusammen, Schutzmaßnahmen für einen Bereich können negative Folgen für einen anderen haben.
„Würde zum Beispiel die Bewässerung in der Landwirtschaft verringert, um die Grenze für den Wasserverbrauch einzuhalten, könnte das im Gegenzug bedeuten, dass mehr Flächen in Ackerland umgewandelt werden müssen – was zum weiteren Überschreiten der planetaren Grenze für Landnutzungsänderungen führen würde“, erklärt Gerten. (Science, 2014; doi: 10.1126/science.1259855)
(Science/ PIK, 19.01.2015 – NPO)