Dass die ersten Vormenschen bereits aufrecht auf zwei Beinen gingen ist unzweifelhaft. Doch jetzt haben neue Untersuchungen an fossilen Knöchelgelenken von Australopithecinen gezeigt, dass es dabei deutliche anatomische Unterschiede zwischen den einzelnen Vormenschentypen gab.
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Gary Schwartz, Anthropologe an der Arizona State Universität und sein Kollege Dan Gebo von der Northern Illinois Universität analysierten sieben Knöchelgelenke von verschiedenen Vormenschen, die in Ost- und Südafrika gefunden worden waren. Die Wissenschaftler verglichen die Anatomie der Knochen sowohl untereinander als auch mit der von Schimpansen, Gorillas und modernen Menschen. Dabei kamen sie zu zwei grundlegenden Schlussfolgerungen, die jetzt in der Fachzeitschrift Journal of Physical Anthropology veröffentlicht worden sind.
Zum einen konnten die Forscher einige 2,2 bis 2,36 Millionen Jahre alte Knochen, die bisher als „halb menschlich, halb Affe“ eingestuft worden waren, eindeutig einem frühen Vertreter der Gattung Homo zuordnen. Sie ähneln Homo erectus und Homo rudolfensis-Funden aus Koobi Ferra und gehören eindeutig zu einem „obligaten Bipeden“, also einem Primaten, der sich vorwiegend aufrecht fortbewegte und deutliche Anpassungen an den zweibeinigen Gang zeigt.
Aufrecht ist nicht gleich aufrecht
Als zweite Erkenntnis enthüllten die Knochen deutliche strukturelle Unterschiede auch zwischen den verschiedenen „Zweibeinern“: Die Knöchelanatomien deuteten an, dass mindestens einige Frühmenschen, darunter auch ein Australopithecus vom „Robusttyp“, deutlich anders gelaufen sein müssen als der moderne Mensch. Und widersprechen damit einer bisher gehegten Vorstellung, nach der der robuste Australopithecus zwar viel kräftigere Zähne, Kiefer und Muskeln und ein kleineres Gehirn besaß als unsere zierlicheren Vorfahren, aber sich im Gang und der Fußstellung nicht sehr unterschied.
“Wir stellten fest, dass die Knöchel der robusten Australopithecinen Charakteristiken aufwiesen, die ihren Gang beeinträchtig haben müssen“, erklärt Schwartz. „Wenn man sich anschaut, wie das Schienbein am Knöchel ansetzt, sieht man, dass das Schienbein deutlich nach innen geneigt gewesen sein muss.“ Die X-Beine des kräftigen Frühmenschen deuten nach Ansicht von Schwartz und Gebo daraufhin, dass der aufrechte Gang, entgegen der allgemeinen Annahmen, keine stabile Eigenschaft war, die, einmal entwickelt, unverändert weitergetragen wurde.
“Während wir eine Menge über die Veränderungen von Zähnen und Gesichtsstrukturen im Laufe der Zeit wissen, dachten wir immer die Knöchel hätten sich kaum, wen überhaupt verändert, nachdem die Zweibeinigkeit einmal entwickelt worden war“, so der Forscher. „Jetzt wissen wir, dass es durchaus unterschiedlich Arten des aufrechten Ganges gab.“
Gemeinsamer Ursprung oder Parallelentwicklung?
Die Frage, ob sich der aufrechte Gang einmal entwickelte und dann ausbreitete oder aber gleich mehrfach parallel in unterschiedlichen Vormenschenlinien entstand, wird ebenfalls noch diskutiert. Die neuen Ergebnisse von Schwartz und Gebo deuten jedoch auf einen gemeinsamen Ursprung hin. „Die mit dem aufrechten Gang verbundenen Skelettveränderungen repräsentieren eine enorme Reorganisation der Anatomie“, erklärt Schwartz. „Es ist unwahrscheinlich, dass sich das unabhängig voneinander in verschiedenen Hominidenlinien entwickelt haben kann.“
Die Unterschiede im Knöchelbau und Gang scheinen eher das Resultat von späteren Modifikationen zu sein. „Denken Sie beim robusten Australopithecus einfach an eine Entwicklung einer Variation des Themas Zweibeinigkeit. Unzweifelhaft lief er nicht so effizient, wie wir es heute tun, aber vielleicht hatte dieser Gang dafür andere evolutive Vorteile“, so der Anthropologe. Welche dies allerdings gewesen sein könnten, ist vorerst noch ein Rätsel, aber genau das wollen die Wissenschaftler im nächsten Schritt ihrer Forschungsarbeiten herausfinden.
„Wissenschaftler sind schon lange fasziniert vom robusten Australopithecus, weil er vom Hals aufwärts so speziell ist. Jetzt haben wir Belege dafür, dass er auch vom Knie abwärts sehr eigen war“, kommentiert Schwartz.
(Arizona State University, 16.02.2006 – NPO)