Meeresforschung

Wale betreiben riesiges „Nährstoff-Förderband“

Meeressäuger transportieren in ihrem Körper große Mengen Nährstoffe durchs Meer

Das Buckelwalkalb ist noch deutlich kleiner als seine Mutter und produziert so auch weniger Nährstoffe. © Martin van Aswegen, NOAA permit 21476

Wandernder Kompost: Wale transportieren und verteilen mit ihrem Körper lebenswichtige Nährstoffe im ganzen Ozean, wie eine Studie zeigt. Mit ihrem Urin, Plazenta-Resten und Kadavern hinterlassen sie große Mengen Stickstoff im Meer. Das so gedüngte Gebiet erstreckt sich von polaren Gewässern vor Alaska bis zu tropischen Gewässern vor Hawaii, wie die Forscher in „Nature Communications“ berichten. Doch der Mensch bedroht diesen Nährstoffkreislauf.

Bartenwale wie Buckelwale oder Grauwale unternehmen einige der längsten Wanderungen aller Säugetiere. Die meisten von ihnen halten sich im Sommer in hohen Breitengraden auf und schwimmen für den Winter in niedrigere Breitengrade. Bereits im Jahr 2010 haben Forschende gezeigt, dass die Ausscheidungen der großen Säuger eine wichtige Ressource für das Planktonwachstum und die Produktivität der Ozeane sind.

Urin und Haut werden zu Dünger

Im Sommer leben Buckelwale rund um die Inselkette der Aleuten, wandern dann jedoch für den Winter nach Hawaii. © Illustration von A. Boersma

Wie weitreichend diese Ausscheidungen das Meer „düngen“, hat jetzt ein Forschungsteam um Joe Roman von der University of Vermont untersucht. Dafür rekonstruierten die Forschenden zunächst die Wanderungsmuster der verschiedenen Bartenwale mithilfe von Angaben zu Futter- und Brutgebieten aus öffentlichen Datenbanken.

Danach berechneten Roman und seine Kollegen mit mathematischen Modellen, die Faktoren wie Populationsgröße, Verteilung und Sterblichkeit berücksichtigen, wie viel Stickstoff die Wale produzieren. Diesen Nährstoff setzen die Tiere beispielsweise in Form von Urin, Plazenten, Kadavern oder Hautabschürfungen frei.

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Wale konzentrieren Nährstoffe in warmen Gefilden

Die Forschenden ermittelten so, dass Wale jährlich etwa 3.800 Tonnen Stickstoff und über 46.000 Tonnen Biomasse in nährstoffarme tropische Küstengebiete befördern. Denn wie die Migrations-Analysen ergaben, halten sich Buckelwale im Sommer rund um die Aleuten zwischen Alaska und Russland auf. Dort fressen sie sich tonnenweise Fett an, ehe sie über 8.000 Kilometer südlich vor die Küsten Hawaiis wandern. Dort gebären sie auch ihre Kälber.

In einem Meeresschutzgebiet für Buckelwale um Hawaii ist der Nährstoffertrag durch die Säuger etwa doppelt so hoch wie durch andere natürliche Prozesse – etwa durch Meeresströmungen oder den Aufstieg von Tiefenwasser –, wie das Forschungsteam herausfand.

„Wir nennen es das ‚große Wal-Förderband’“, sagt Roman. „Man könnte es auch einen Trichter nennen, denn die Wale ernähren sich über weite Strecken, aber zum Paaren, Fortpflanzen und Gebären müssen sie sich auf relativ engem Raum aufhalten. Die Kälber haben anfangs nicht die Energie, weite Strecken zurückzulegen, wie es die Mütter können.“ Die Nährstoffe, die ursprünglich weit über das Meer verteilt waren und die die Wale dann lokal freisetzen, konzentrieren sich somit auf viel kleinere Gebiete – „als ob man Laub sammelt, um daraus Kompost für seinen Garten zu machen“, erklärt Roman.

Hätte die Nährstoffmenge noch größer sein können?

Mit ihrer Düngefunktion beeinflussen die Meeressäuger ganze Ökosysteme im Ozean. Der Mensch ist demnach nicht das einzige Wesen, das großen Einfluss auf den Planeten hat. „Aufgrund ihrer Größe können Wale Dinge tun, die kein anderes Tier kann. Sie leben in einer anderen Größenordnung“, sagt Seniorautor Andrew Pershing von der Climate Central Incorporation in Princeton. Doch der Einfluss der Wale könnte einst sogar noch größer gewesen sein.

Das Team um Roman vermutet, dass die Menge an durch wandernde Bartenwale eingebrachten Nährstoffe vor dem kommerziellen Walfang mindestens dreimal so hoch gewesen ist. „Viele Populationen wurden durch die Jagd dezimiert, und einige Populationen, wie der Atlantische Nordkaper im Nordostatlantik, wurden aus ihren historischen Brutgebieten ausgerottet, bevor räumliche Daten erfasst wurden“, schreiben die Forschenden. „Diese Nährstoffnetze gingen verloren, bevor wir überhaupt wussten, dass sie existierten.“

Obwohl sich die Walbestände nach dem Ende des kommerziellen Walfangs erholt haben, könnten in Zukunft Schifffahrt, Fischerei und Klimawandel den Populationen und somit auch dem Nährstoffkreislauf schaden. So könnten Bestände von Buckel- und Glattwalen auf der Südhalbkugel um das Jahr 2050 ihren Höhepunkt erreichen und dann aufgrund der veränderten Meerestemperatur abnehmen. Das könnte eine der weltweit wichtigsten Verbindungen zwischen den marinen Ökosystemen in hohen und niedrigen Breitengraden unterbrechen, mahnt das Forschungsteam. (Nature Communications, 2025; doi: 10.1038/s41467-025-56123-2)

Quelle: University of Vermont

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