Biologie

Wale imitieren fremde Dialekte

Orcas sind zweite Meeressäuger-Art, die fremde Rufe imitieren kann

Orcas © NOAA

Orcas leben in Familiengruppen, die über einen jeweils eigenen „Dialekt“ ihrer Rufe verfügen. Jetzt haben Forscher erstmals Lautäußerungen eingefangen, die nicht aus dem Dialekt der beobachteten Familie stammten, sondern eine exakte Imitation von „fremden“ Lautäußerungen waren. Damit sind die Schwertwale nach dem Delfin die zweite Meeressäuger-Art, die Lautimitationen beherrscht.

Während zahlreiche Vogelarten die Rufe ihrer Artgenossen imitieren, sind Imitationen von Rufen bei Säugetieren bislang nur selten beschrieben. Eine Ausnahme bildet der Große Tümmler, jene Delfinart, die durch die TV-Serie „Flipper“ bekannt wurde und als Expertin für Rufimitationen gilt. Auch der Große Schwertwal (Orcinus orca) zählt zur Familie der Delfine – und hat mit seinem Lautverhalten das Interesse eines Forschungsteams der Universität Wien geweckt.

„Schwertwale leben in engen und sehr stabilen Familiengruppen. Sie sind akustisch überaus interessant, da sich Familien durch unterschiedliche Dialekte auszeichnen“, erklärt Friedrich Ladich vom Department für Verhaltensbiologie der Universität Wien. Die Dialekte nah verwandter Familiengruppen sind einander besonders ähnlich, während unverwandte Familien voneinander völlig verschiedenartige Lautrepertoires besitzen – vergleichbar mit unterschiedlichen Sprachen.

Lautimitationen eingefangen

Im Rahmen der Studie nahmen die Forscher in Zusammenarbeit mit kanadischen Kollegen Orca-Familien in der kanadischen Johnstone Strait, einer Meerenge nahe Vancouver Island, mit einem Netzwerk an Unterwassermikrofonen auf. Die von den Familien verwendeten Ruftypen wurden bestimmt und mit dem bekannten Lautrepertoire verglichen. Dabei stießen die Wissenschaftler wiederholt auf Laute, die nicht aus dem Dialekt der beobachteten Familie stammten, sondern denen von unverwandten, nicht anwesenden Familien ähnelten.

„Die Ergebnisse deuten stark darauf hin, dass es sich bei diesen Rufen tatsächlich um Imitationen handelt“, erklärt Brigitte Weiß, deren Dissertation auf den Forschungsergebnissen beruht. Die Ergebnisse zeigten nicht nur, dass Schwertwal-Familien tatsächlich die Rufe unverwandter Familien nachahmen. Auch können diese Nachahmungen von nur oberflächlichen Ähnlichkeiten bis hin zu sehr exakten Kopien der jeweiligen Rufe reichen.

Motivation der Wale noch unklar

Offen ist noch, warum Schwertwale Artgenossen imitieren. „Die Nachahmungen könnten als ‚Name‘ für die betreffenden Familien verwendet werden; möglich wäre aber auch, dass sie ohne bestimmte Intention produziert werden“, so Ladich. Um diese Frage zu beantworten, müssten die ForscherInnen die Rufe einzelnen Walen zuordnen – was derzeit technisch kaum machbar ist, insbesondere wenn viele Wale eng beisammen schwimmen. (Marine Mammal Science Online, 2010, DOI: 10.1111/j.1748-7692.2010.00397.x)

(Universität Wien, 16.12.2010 – NPO)

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