Biologie

Wanderlibelle fliegt 7.000 Kilometer weit

Insekt entpuppt sich als neuer Langstrecken-Rekordhalter im Insektenreich

Die Wanderlibelle Pantala flavescens ist ein echter Langstreckenflieger. © Greg Lasley

Beeindruckender Rekord: Die Wanderlibelle legt auf ihren saisonalen Wanderungen bis zu 7.000 Kilometer zurück und überwindet ganze Ozeane. Die knapp fünf Zentimeter lange Libelle ist damit der Rekordhalter unter den fliegenden Insekten – und ein echter global Traveller, wie die Forscher im Fachmagazin „PLOS ONE“ berichten. Denn auf die Schliche kamen sie den Langstreckenfliegern durch genetische Übereinstimmungen zwischen Populationen auf verschiedenen Erdteilen.

Einige Tiere entwickeln beim Fliegen eine nahezu unglaubliches Durchhaltevermögen: Eine Grasmücke fliegt auf ihrem Weg ins Winterquartier drei Tage Nonstop über den Atlantik, der Steinschmätzer legt sogar knapp 15.000 Kilometer zurück und selbst Schmetterlinge wie der Distelfalter oder der Monarchfalter fliegen tausende von Kilometern weit.

Rätselhafte Übereinstimmung der Gene

Jetzt jedoch haben Jessica Ware von der Rutgers University in Newark und ihre Kollegen ein Insekt aufgespürt, das sogar noch weiter als die beiden Schmetterlingsarten fliegt. Entdeckt haben sie dies fast durch Zufall. Denn sie wollten eigentlich nur die DNA von Wanderlibellen (Pantala flavescens) in verschiedenen Regionen der Erde untersuchen, als ihnen verblüffende Übereinstimmungen auffielen:

Verbreitung der Wanderlibelle Pantala flavescens © Achim Raschka/ CC-by-sa 3.0

Selbst bei Libellenpopulationen, die auf verschiedenen Kontinenten lebten, waren die Genmuster nahezu identisch. Die erwarteten regionalen Unterschiede, wie sie typischerweise bei voneinander getrennten Populationen auftreten, fehlten. „Wenn japanische Wanderlibellen sich nur mit ihren vor Ort lebenden Artgenossen paaren, und die Wanderlibellen in den USA ebenso, dann führt dies zu genetischen Unterschieden“, erklärt Ware. „Aber das haben wir nicht gefunden.“

Erklärbar nur durch direkten Kontakt

Nach Ansicht der Biologen lässt dies nur einen Schluss zu: Die Populationen auf den verschiedenen Erdteilen müssen sich regelmäßig untereinander vermischen. Es muss zu Kontakten kommen, bei denen sich Angehörige verschiedener Völker miteinander paaren. Das aber würde bedeuten, dass die nur knapp fünf Zentimeter großen Libellen regelmäßig sogar den Pazifik überqueren.

Tatsächlich kommt der Name Wanderlibelle nicht von ungefähr: Schon länger ist bekannt, dass diese Insekten manchmal den Indischen Ozean überqueren, um von Asien nach Afrika zu gelangen. „Sie folgen dabei dem Wetter“, erklärt Wares Kollege Daniel Troast. „Wenn in Indien Trockenzeit ist, fliegen sie nach Afrika, wo dann gerade Regenzeit herrscht – und das tun sie offenbar einmal im Jahr.“

Flugpause: Rastende Wanderlibelle in Indien. © L. Shyamal/ CC-by-sa 2.5

Weiter als der Monarchfalter

Die aktuellen Genvergleiche enthüllen jedoch, dass die Wanderlibellen noch sehr viel weitere Strecken zurücklegen müssen – nur so ist nach Ansicht der Forscher die Übereinstimmung von Populationen beiderseits des Pazifik zu erklären. Die Strecken der Langstreckenflieger könnten dabei bis zu 7.00 Kilometer lang sein, schätzen die Biologen.

„Bisher galten die Monarchfalter, die rund 4.000 Kilometer weit von Nord- nach Südamerika fliegen als die Insekten mit den längsten Wanderungen“, sagt Troast. „Aber Pantala übertrifft jeden Rekord, den sie bisher gehalten haben.“ Welche Routen die Libellen dabei nutzen, ist bisher allerdings nicht geklärt.

Gleiter auf Selbstmord-Mission

Ähnlich wie beim Monarchfalter legen aber nicht alle Wanderlibellen den kompletten Weg allein zurück. Stattdessen sind einige Routen wahrscheinlich ein Mehrgenerationen-Unterfangen – Eiablage und Heranwachsen auf halber Strecke mit inbegriffen. Für die einzelnen Libellen kann ein solcher Flug daher durchaus einer Selbstmord-Mission ähneln, wie Ware erklärt. Aber sie dient der Erhaltung der Art.

Wie aber schaffen es die Libellen überhaupt, so weit zu fliegen. Ein Schlüssel dazu ist vermutlich ihr langer, schlanker Körperbau, kombiniert mit sehr großen Flügeln. „Die vergrößerte Oberfläche ihrer Flügel ermöglicht es ihnen, sich vom Wind tragen zu lassen“, sagt Ware. „Sie schlagen ein paar Mal mit den Flügeln und gleiten dann für lange Zeitperioden passiv im Luftstrom. Dadurch verbrauchen sie nur minimale Mengen Energie.“ (PLOS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0148949)

(Rutgers University-Newark, 03.03.2016 – NPO)

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