Die letzten ihrer Art: Forschern ist es erstmals gelungen, das Alter der jüngsten Homo-erectus-Fossilien präzise zu datieren. Demnach lebte dieser Frühmensch bis vor rund 108.000 bis 117.000 Jahren – und hatte sein letztes Refugium im Flusstal Ngandong auf Java. Erst als sich dort das Klima wandelte und das offene Grasland zu Regenwald wurde, starb auch diese letzte Gruppe des Homo erectus aus, wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Der Homo erectus war die Frühmenschenart mit der größten Verbreitung – und eine der Erfolgreichsten. Schon vor rund 1,5 Millionen Jahren hatte er Afrika verlassen und war bis nach Südostasien vorgedrungen, wie Fossilienfunde auf Java belegen. Zudem nutzte der Homo erectus wahrscheinlich schon das Feuer, fertigte Faustkeile an und könnte sogar einen Sinn für Kunst besessen haben.
Doch wann starb der Homo erectus aus? Und warum? Bisher weiß man nur, dass die letzten Vertreter dieser Menschenart wahrscheinlich auf Java lebten. Denn schon in den 1930er Jahren hatten Archäologen im Flusstal Ngandong in Zentraljava die mutmaßlich jüngsten Homo-erectus-Fossilien entdeckt. Das Problem jedoch: Weil die Knochen damals von der Fundstelle entfernt wurden, ist ihre genaue Altersbestimmung nicht mehr möglich. Die Spanne der Datierungen reicht von 40.000 bis zu 546.000 Jahren
Fahndung nach der Fundschicht
Um dieses Problem zu lösen, hat ein Forscherteam um Seniorautor Russell Ciochon von der University of Iowa einen anderen Ansatz gewählt: Sie reisten seit 2008 immer wieder zurück nach Ngandong und versuchten, die ursprüngliche Fundschicht wiederzufinden. „Bisher ist dies keiner früheren Ausgrabung gelungen“, sagt Ciochon. Doch ihm und seinem Team gelang es. „Wir konnten die Fundschicht an zwei verschiedenen Stellen lokalisieren“, berichtet Ciochon.
Damit war der Weg frei für eine Neudatierung der Fundschicht und damit auch der in Ngandong gefundenen Homo-erectus-Fossilien. Dafür bestimmten die Forscher einerseits einige in dieser Schichte neugefundene Tierfossilien mithilfe der Uran-Blei-Datierung. Zum anderen führten sie mehrere isotopische Altersbestimmungen der umgebenden Landschaft durch. Darüber konnten sie ermitteln, wann der Fluss erstmals durch das Tal floss und wann sich die Uferterrassen und damit auch die Fundschicht bildeten.
Vor 110.000 Jahren lebten die Letzten
Das Ergebnis: Die Homo-erectus-Fossilien aus Ngandong sind zwischen 117.000 und 108.000 Jahre alt. „Dies bestätigt, dass Ngandong der letzte bekannte Fundort des Homo erectus weltweit ist“, sagt Ciochon. „Wir können zwar nicht sagen, dass wir damit seinen Aussterbezeitpunkt datiert haben, aber sein letztes Vorkommen. Es keinerlei Hinweise darauf, dass der Homo erectus irgendwo anders länger lebte als hier.“
Gleichzeitig klärt die neue Datierung auch die Zeitabfolge der verschiedenen Menschenarten in Südostasien. „Unser Zeitrahmen für die Ngandong-Fundschicht spricht gegen eine Überlappung zwischen dem modernen Menschen und dem Homo erectus in dieser Region“, betonen die Forscher. Auch Sonderformen wie der „Hobbit-Mensch“ von der Insel Flores und der auf der Insel Luzon entdeckte Frühmensch Homo luzonensis lebten demnach später als der Homo erectus.
Ende durch einen Klimawandel?
Doch warum verschwand der Homo erectus vor rund 110.000 Jahren aus Java? Auch dafür liefern die neuen Ausgrabungen in Ngandong erste Indizien. Denn wie die Wissenschaftler berichten, war das Tal bei Ankunft des Homo erectus vorwiegend von Grasland geprägt – einer Umwelt, an die dieser Frühmensch schon in Afrika gut angepasst war.
Doch vor rund 130.000 Jahren änderte sich dies: „Es gab einen Wandel im Klima“, erläutert Ciochon. „Wir wissen, dass sich die Umwelt damals von offenem Grasland zu einem tropischen Regenwald wandelte.“ Die Forscher vermuten, dass sich der Homo erectus nicht an diesen Wandel von Flora und Fauna anpassen konnte und daher ausstarb. (Nature, 2019; doi: 10.1038/s41586-019-1863-2)
Quelle: University of Iowa, Nature