Zahn um Zahn: Ausgewachsene Tyrannosaurier fraßen womöglich doch nicht so regelmäßig Knochen wie bislang angenommen, wie neue Mikroanalysen der Zahnstruktur enthüllen. Demnach ernährten sich ausgewachsene T. rex vorrangig von Fleisch und nur gelegentlich von Knochen. Eine weitere Zahnstudie offenbart außerdem, dass frühe Dinosaurier vermutlich Fleisch- oder Allesfresser waren und sich eine pflanzliche Ernährung erst später durchsetzte als bisher gedacht.
Raubsaurier mit mächtigen Reißzähnen, Entenschnabelsaurier mit riesigen Mahlzahnbatterien, Langhalssaurier mit bleistiftartigen Zähnen: Die Gebisse der Dinosaurier waren so vielfältig wie die ausgestorbenen Reptilien selbst. Worin ihr gemeinsamer Ursprung liegt, war lange ungeklärt. Klar ist allerdings, dass manche Raubsaurier vor allem gegen Ende des Dinosaurier-Zeitalters über eine enorme Bisskraft verfügten. So war das Gebiss des Tyrannosaurus rex so stark, dass es sogar Knochen zermalmen konnte. Das belegen Bissspuren an den Knochen verschiedener Beutetiere und zerkleinerte Knochenfragmente in fossilen T. rex-Exkrementen.
Zahnverschleiß unter dem Mikroskop
Doch Forschende um Daniela Winkler von der Universität Mainz zweifeln nun an, dass der T. rex seine gewaltige Bisskraft auch tatsächlich regelmäßig zum Knochenfressen einsetzte. Um mehr über die Fressgewohnheiten von Raubsauriern herauszufinden, hatten sie 34 Theropodenzähne erstmals einer Mikrotexturanalyse unterzogen. 14 Zähne von modernen Krokodilen dienten als Vergleichsobjekte. Die mikroskopischen Aufnahmen enthüllten vielfältige Abnutzungsspuren, die in ihrer Tiefe, Rauheit und Komplexität variierten.
Tiefe Verschleißspuren, die sich gegenseitig überlagern und unterschiedlich groß sind, lassen auf eine knochendominierte Ernährung schließen. Übersichtlichere Abnutzungsmuster weisen hingegen auf eine weiche, fleischbasierte Kost hin. Winkler und ihre Kollegen wollten anhand des Zahnverschleißes herausfinden, wie knochenreich die Ernährung verschiedener Raubsaurier war und wie sehr sich ihre Ernährung voneinander unterschied.
Knochen wohl kein Leibgericht
Das Ergebnis: Zur Überraschung der Wissenschaftler offenbarten die Mikrotexturanalysen beim T. rex kaum Verschleißspuren, die auf häufiges Knochenfressen hindeuten würden – und das, obwohl wir definitiv wissen, dass er Knochen fraß. Wo sind dann die Abnutzungsmuster? Winkler und ihre Kollegen vermuten, dass Knochen beim T. rex nur gelegentlich auf dem Speiseplan standen und die Zähne daher nicht allzu sehr abnutzten: „Obwohl die Tyrannosaurier das Knochenfressen gut beherrschten, haben sie es möglicherweise nicht immer eingesetzt.“
Eine weitere Erklärung für die fehlenden Abnutzungsspuren könnte darin liegen, dass das Team nur sehr gut erhaltene Zähne für die Analyse verwendete. Doch womöglich könnten gerade die nicht untersuchten, stärker beschädigten Zähne zu Individuen gehören, die einst häufig Knochen fraßen, wie die Wissenschaftler anmerken.
Bei Tyrannosaurier-Jungtieren wiederum fanden sie den typischen Knochenfresser-Verschleiß sehr häufig, „was bedeuten könnte, dass sie sich öfter von Kadavern ernähren mussten, weil sie Speisereste fraßen“, erklärt Winkler. Das bestätigt die Hypothese, dass Tyrannosaurier unterschiedlichen Alters unterschiedliche ökologische Nischen besetzten. Dass die Verschleißmuster nach der Jugend der Raubsaurier verschwanden, könnte damit zusammenhängen, dass Tyrannosaurier ihre Zähne ähnlich wie Haie immer wieder ersetzten.
Am Anfang war der Fleischfresser?
Die großen, zweibeinig laufenden Raubsaurier der Kreidezeit, wie der T. rex, sind vermutlich die ersten Dinosaurier, an die viele bei dem Wort „fleischfressend“ denken. Doch gerade zu Beginn des Dinosaurierzeitalters vor rund 200 Millionen Jahren könnte eine fleischbasierte Ernährung noch weitaus verbreiteter gewesen sein als gegen Ende ihrer Ära, wie eine weitere aktuelle Studie zu Aussehen und Funktion von Dinozähnen nahelegt.
Wissenschaftler um Antonio Ballell von der University of Bristol warfen in ihrer Forschung einen genaueren Blick auf den Ursprung der unterschiedlichen Varianten von Dinogebissen. Sie arbeiteten dafür mit 3D-Modellen und maschinellem Lernen, einem Teilbereich der künstlichen Intelligenz (KI). Mithilfe dieser KI-Systeme konnten die Paläontologen die typischen Zahnformen der frühen Dinosaurier mit modernen Zahnformen vergleichen und quantitativ auswerten.
Gängige Theorien besagen, dass die frühen Dinosaurier entweder von fleisch- oder von allesfressenden Vorfahren abstammen. Doch auch pflanzenfressende Dinosaurier sind gemäß dieser Annahmen schon früh im Dino-Stammbaum aufgetaucht.
Pflanzenfressen kam erst später dazu
Die Ergebnisse von Ballell und seinen Kollegen stimmen jedoch nur teilweise mit diesen Szenarien überein. Einerseits konnten auch sie ermitteln, dass die Dinosaurier entweder von fleischfressenden oder von allesfressenden Vorfahren abstammen – je nachdem, wie man den Stammbaum der Dinosaurier auslegt. Andererseits entwickelte sich das Pflanzenfressen gemäß ihrer Analysen erst deutlich später als bislang angenommen.
Demnach begannen selbst die langhalsigen Sauropoden, die größten Pflanzenfresser aller Zeiten, einst als Fleischfresser, die sich zunächst zu Alles- und dann zu Pflanzenfressern entwickelten. Auch bei den Vogelbeckensauriern (Ornithischia), zu denen beispielsweise der Triceratops gehörte, fand die Umstellung laut Ballells Team später statt als gedacht.
Sobald sich allerdings unterschiedliche Gebissformen entwickelt hatten, eröffnete das den Dinosauriern einzigartige Möglichkeiten der Nischenbesetzung: „Die frühe Ernährungsvielfalt war von grundlegender Bedeutung für den Aufstieg der Dinosaurier zur ökologischen Dominanz“, erklären Ballell und Kollegen. (Palaeontology, 2022; doi: 10.1111/pala.12632; Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abq5201)
Quelle: Universität Tokio, Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Amerikanische Vereinigung für die Förderung der Wissenschaft (AAAS), Science Advances