Paläontologie

War der halbwüchsige T. rex gar keiner?

Paläontologen ordnen vermeintliche Jungtiere des Tyrannosaurus rex einer eigenen Art zu

Nanotyrannus und T. rex
Nanotyrannus (links) und jugendliche Tyrannosaurus rex mögen auf den ersten Blick zwar ähnlich aussehen, doch der Schein trügt. © Andrey Atuchin

Dino-Teenie oder nicht? Lange Zeit hielten Paläontologen die Fossilien mittelgroßer kreidezeitlicher Raubsaurier für die Überreste jugendlicher Tyrannosaurus rex  – offenbar fälschlicherweise, wie Forscher nun berichten. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Knochen der vermeintlichen Teenie-Tyrannen in Wirklichkeit von bereits ausgewachsenen Dinosauriern stammen und somit von einer eigenen Art namens Nanotyrannus. Dafür sprechen auch verschiedene anatomische Unterschiede zwischen beiden Spezies, wie das Team berichtet.

Knapp 80 Jahre ist es her, dass im US-Bundesstaat Montana ein ungewöhnlicher Raubsaurier-Schädel aus der Kreidezeit gefunden wurde. Seither sorgen er und ähnliche Knochenfunde für hitzige Debatten unter Paläontologen. Während einige die grazilen Knochen einer eigenen Tyrannosaurier-Art namens Nanotyrannus lancensis zuordnen, halten andere sie für die Überreste von halbwüchsigen Exemplaren des Tyrannosaurus rex. Nachdem sich die Wissenschaft nach langem Hin und Her inoffiziell auf Variante zwei geeinigt zu haben schien, wird die Debatte jetzt allerdings durch neue Beweise wieder aufgerollt.

Ein Rätsel in Ringform

Auslöser der neuesten Debattenrunde ist die Arbeit von Nicholas Longrich von der University of Bath und Evan Saitta von der University of Chicago. Die Paläontologen hatten für ihre Studie verschiedene Nanotyrannus-Fossilien auf der Suche nach endgültigen Antworten nochmal eingehend untersucht. Unter anderem warfen sie dabei einen genaueren Blick auf die Wachstumsringe, die beim Querschnitt eines Knochens sichtbar werden.

Ähnlich wie der Stamm eines Baums bilden auch Knochen jedes Jahr eine neue Wachstumsschicht. Dicke Schichten sprechen für ein schnelles Wachstum und treten meist in jungen Jahren auf, dünne Schichten stehen hingegen für langsames Wachstum und sind eher für ältere Tiere typisch. Glaubt man der Annahme, dass die kleineren Fossil-Exemplare eigentlich junge Tyrannosaurus rex waren, dann müssten ihre Wachstumsringe also zum Ende hin immer noch verhältnismäßig dick sein. Schließlich hätte ein T. rex im Wachstum jedes Jahr hunderte Kilo zugelegt.

Wachstumskurven
Die Wachstumskurven von T. rex und Nanotyrannus unterschieden sich offenbar erheblich. © Nick Longrich

Nanotyrannus war eine eigene Spezies

Doch die Ringe, die Longrich und Saitta fanden, waren nicht dick, sondern schmal: „Wir haben versucht, die Daten auf viele verschiedene Arten zu modellieren, aber wir erhielten immer nur niedrige Wachstumsraten“, erklärt Longrich. Er und sein Kollege gehen daher davon aus, dass es sich bei den bisherigen Nanotyrannus-Funden nicht um Teenager, sondern um fast ausgewachsene Tiere handelt, die zwischen 900 und 1.500 Kilogramm schwer und bis zu fünf Meter lang wurden – gerade einmal 15 Prozent eines ausgewachsenen Tyrannosaurus rex, der es auf acht Tonnen Gewicht und neun Meter Länge brachte.

„Dies scheint das Ende der Hypothese zu sein, dass diese Tiere junge T. rex sind“, schlussfolgert Longrich. Dafür spricht neben dem Muster der Wachstumsringe auch die Anatomie der Knochenfunde. Insgesamt haben Longrich und Saitta mindestens 77 Merkmale gefunden, die sich erheblich zwischen Nanotyrannus und T. rex unterscheiden, darunter eine abweichende Zahnanzahl und -form. Außerdem war Nanotyrannus graziler gebaut und hatte längere Arme als T. rex.

Dass sich Jungtiere derart von Erwachsenen derselben Art unterscheiden, wäre höchst ungewöhnlich, so Longrich: „Genauso wie Kätzchen wie Katzen und Welpen wie Hunde aussehen, sind auch die Jungtiere verschiedener Tyrannosaurier unverwechselbar. Und Nanotyrannus sieht einfach überhaupt nicht wie ein T. rex aus.“ Zwar sei es möglich, dass sich das Wachstumsmuster des T. rex von dem anderer Tiere unterschied – „aber es ist wahrscheinlicher, dass es einfach kein T. rex ist“.

Schädel Vergleich
Die Schädel von T. rex und Nanotyrannus im direkten Vergleich. © Nick Longrich

Beide Räuber koexistierten

Wenn Nanotyrannus also kein halbwüchsiger T. rex war, was war er dann? Ganz genau wissen das auch Longrich und Saitta noch nicht. Sie halten es aber für möglich, dass der Nanotyrannus nur entfernt mit dem T. rex verwandt war und vielleicht sogar einer eigenen Familie von Raubsauriern außerhalb der Tyrannosauridae angehörte. In jedem Fall hätte der Nanotyrannus aber parallel zu seinem riesigen Vetter gelebt und sich auch zum Teil denselben Lebensraum mit ihm geteilt.

Damit wäre die Raubsaurier-Vielfalt der späten Kreidezeit Nordamerikas größer gewesen als bislang angenommen. Angesichts seiner vom T. rex abweichenden Anatomie verfolgte der kleine, wendige Nanotyrannus aber wahrscheinlich eine andere Jagdstrategie. „T. rex verließ sich auf Größe und Stärke, aber dieses Tier verließ sich auf Geschwindigkeit“, so Longrich.

Erstes Fossil eines wahren Teenager rex

Doch auch wenn Nanotyrannus nicht der Teenager rex ist, für den er lange gehalten wurde, müssen trotzdem irgendwann einmal T. rex-Jungtiere durch Nordamerika gestapft sein. Wo also sind ihre Überreste? Während ihrer umfangreichen Untersuchungen sind Longrich und Saitta auf nur einen einzelnen Knochen gestoßen, den sie als eindeutigen Überrest eines jungen Tyrannosaurus rex identifizieren konnten.

Es handelt sich dabei um ein Stirnbein, das einige Jahre lang weitestgehend unbeachtet in einer Museumsschublade geruht hatte. Der Besitzer dieses Schädelknochens muss einst rund fünf Meter lang gewesen sein – so groß wie ein ausgewachsener Nanotyrannus. Doch das Aussehen des Stirnbeins spricht dafür, dass es sich bei ihm tatsächlich um einen jugendlichen T. rex gehandelt hat. „Die Schädelknochen von T. rex sind sehr markant, nichts anderes sieht so aus“, erklärt Longrich. „Junge T. rex gibt es, sie sind nur unglaublich selten, wie die Jungtiere der meisten Dinosaurier.“ (Fossil Studies, 2024; doi: 10.3390/fossils1010009

Quelle: University of Bath

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