Fleisch bevorzugt: Der Speiseplan der Neandertaler könnte doch einseitiger gewesen sein als bisher angenommen, wie neue Isotopenanalysen nahelegen. Demnach aßen zumindest einige Vertreter dieser Eiszeitmenschen fast auschließlich das Fleisch von großen Pflanzenfressern wie Rentier, Mammut, Pferd und Co. Dagegen stand Fisch offenbar nicht auf der Speisekarte – im Widerspruch zu früheren Annahmen.
Die Ernährung der Neandertaler gibt bis heute Rätsel auf. Gängiger Hypothese nach jagten die Neandertaler vorwiegend große pflanzenfressende Säugetiere wie Hirsche, Rentiere, Pferde und Mammuts und besaßen damit einen relativ engen, auf die Eiszeitfauna spezialisierten Speiseplan. Doch es gibt auch Hinweise darauf, dass sich die Neandertaler vielseitiger ernährten und regelmäßig auch Gemüse, Nüsse und andere Pflanzennahrung konsumierten.
Merkwürdig auch: Einige Neandertaler und frühe Vertreter des modernen Menschen weisen in ihren Zähnen und Knochen höhere Werte von Stickstoffisotopen auf als die Tierwelt ihrer Umgebung. Daraus schließen einige Forscher, dass die Neandertaler auch viel Fisch und Meeresfrüchte konsumiert haben müssen – denn diese haben typischerweise höhere Isotopenwerte als landlebende Tiere.
Neue Isotopenmethode verrät Speiseplan
Was tatsächlich auf dem Speiseplan der Neandertaler stand, haben nun Klervia Jaouen vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und ihre Kollegen mithilfe einer neuen Methode untersucht. Mit dieser sogenannten „Compound specific isotope analysis“ (CSIA) ist es möglich, die Kohlenstoff- und Stickstoffisotope von einzelnen, im Kollagen enthaltenen Aminosäuren zu analysieren.
Das ermöglicht es, die Herkunft der kosumierten Nahrung – ob vom Land oder aus dem Meer –
besser als zuvor zu bestimmen. Auch die Position des Speisenden und seiner Kost in der Nahrungskette kann aus den Isotopenwertten ermittelt werden. Die Forscher nutzten diese Methode nun, um die Überreste von zwei rund 45.000 Jahre alten Neandertalern aus Les Cottés und der Grotte du Renne in Frankreich zu untersuchen.
Rentier, Pferd und Co – aber kein Fisch
Das Ergebnis: „Wir konnten nachweisen, dass die Neandertalerin von Les Cottés eine Fleischfresserin war, die sich fast ausschließlich von landlebenden Säugetieren ernährt hatte“, berichtet Jaouen. Die Sippe dieser Neandertalerin jagte und aß demnach hauptsächlich Rentiere und Pferde, was durch Tierknochen in der Höhle bestätigt wird. Diese zeigten, dass auch fleischfressende Tiere wie Coyoten, Hyänen, Wölfe und Füchse zum Speiseplan dieser Gruppe gehört haben könnten.
„Wir konnten auch bestätigen, dass es sich bei dem Neandertaler aus der Grotte du Renne um einen noch nicht abgestillten Säugling handelt, dessen Mutter ebenfalls eine Fleischfresserin war“, ergänzt Jaouen. Hinweise auf Fisch fanden sich dagegen weder in den Isotopenwerten noch in den Funden aus der Höhle. Damit stützen diese Ergebnisse das „klassische“ Bild des Neandertalers als einem Jäger der großen Eiszeittiere. Selbst wenn der Neandertaler seinen Speiseplan mit Pflanzen angereichert hat, blieb seine Hauptnahrungsquelle doch das Fleisch von Rentier, Mammut und Co.
Kaum Veränderungen im Speiseplan?
Interessant auch: Offenbar haben die Neandertaler ihre Ernährungsgewohnheiten über Jahrtausende hinweg kaum verändert. Bis in die Spätzeit hinein basierte der Speiseplan zumindest einiger Gruppen primär auf dem Jagen und Töten der eiszeitlichen Megafauna, wie die aktuelle Studie nahelegt. Das änderte sich auch nicht, als diese Beutetiere knapper wurden und die Konkurrenz durch den Homo sapiens wuchs.
„Diese Studie bestätigt, dass Homo sapiens, als er nach Europa kam und auf den Neandertaler traf, in direkter Konkurrenz zu diesem um die großen Säugetiere als Nahrungsquelle stand“, sagt Jaouens Kollege Jean-Jacques Hublin. Ob beide Arten damals tatsächlich die gleichen Überlebens- und Ernährungsstrategien verfolgten, wollen die Wissenschaftler nun durch Einsatz der neuen Isotopenmethode auch bei anderen Funden untersuchen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1814087116)
Quelle: PNAS, Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie