Biologie

Warnen sich Bäume doch nicht gegenseitig?

Pflanzen sind wahrscheinlich eher „Lauscher“ als Altruisten

Bäume
Wie erfahren Bäume davon, wenn ihre Nachbarn gerade von Fressfeinden angegriffen werden? © Tomas Munita

Wood Wide Web auf dem Prüfstand: Wenn ein Baum von einem Fressfeind angegriffen wird, fahren auch seine Nachbarn ihre eigenen Abwehrmechanismen hoch, um sich vor der drohenden Gefahr zu schützen. Aber wie erfahren sie überhaupt von dem Angriff? Warnen sich die Bäume gegenseitig über das Pilzgeflecht, über das sie miteinander verbunden sind? Oder handelt es sich dabei um einen Mythos?

Von zahlreichen Bäumen ist bekannt, dass sie an ihren Wurzeln Symbiosen mit Mykorrhiza-Pilzen eingehen. Über ihr weitreichendes Netzwerk feiner Hyphen versorgen die Pilze „ihre“ Bäume dann mit Wasser und Nährstoffen, während die Bäume den Pilzen im Gegenzug Zucker aus der Photosynthese in ihren Blättern liefern. Darüber hinaus können die Mykorrhiza-Pilze verschiedener Bäume miteinander verknüpft sein, wodurch auch eine indirekte Verbindung von Baum zu Baum entsteht. Im Volksmund ist häufig die Rede vom „Wood Wide Web“.

Pilzgeflecht
Das Wood Wide Web verbindet mehrere Bäume indirekt miteinander. © Loreto Oyarte Galvez (VU/AMOLF)

Den Warnsignalen auf der Spur

Doch nutzen die Bäume dieses unterirdische Netzwerk auch aktiv, um miteinander zu kommunizieren? Als augenscheinlicher Beweis für diese These erscheint, wenn eine Pflanze im Wood Wide Web von Fressfeinden wie Blattläusen oder Rehen angeknabbert wird und dann auch die anderen Bäume im selben Pilznetzwerk vorsichtshalber ihre Abwehrmechanismen hochregulieren. Auf den ersten Blick erscheint es daher so, als würden sich die Bäume gegenseitig warnen. Doch kann das sein? Und tun sie dies dann wirklich über das Pilzgeflecht ihrer „Untermieter“?

Forschende um Thomas Scott von der University of Oxford haben diese These nun erstmals aus evolutionärer Sicht untersucht. Denn damit sich ein Verhalten durchsetzt, muss es demjenigen, der es zeigt, auch Vorteile bringen. Von vielen krautigen Pflanzen ist beispielsweise bekannt, dass sie bei Fraßschäden spezifische Pheromone über ihre Blätter in die Luft abgeben. Diese können in manchen Fällen dann Tiere anlocken, die dann ihrerseits die Schädlinge fressen. Für die „Senderpflanze“ hat dies klare Vorteile – nach dem Motto: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.

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Aber welche Vorteile hätte eine angegriffene Pflanze davon, wenn sie ihre Nachbarn warnt? Das haben Scott und seine Kollegen nun in theoretischen mathematischen Modellen ermittelt – ebenso wie die Vor- und Nachteile verschiedener anderer Szenarien, die stattdessen zur Abwehrreaktion der umstehenden Bäume führen könnten.

Altruist oder Egoist?

Das Ergebnis: In den Modellen zeigte sich, dass es für die Pflanzen nicht wirklich gute Gründe gibt, ihre Nachbarn zu warnen. Schließlich handelt es sich bei diesen um Konkurrenten, die ihnen wertvolle Ressourcen wie Sonnenlicht und Nährstoffe streitig machen. Einem solchen Konkurrenten auch noch zu helfen, ist daher äußerst unvorteilhaft. Stattdessen wäre es für die Pflanzen sogar besser, ihren Nachbarn gezielt Lügen zu „erzählen“, wie die Forschenden herausgefunden haben.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es wahrscheinlicher ist, dass sich Pflanzen ihren Nachbarn gegenüber trügerisch verhalten, als dass sie altruistisch handeln“, erklärt Scott. „So können Pflanzen beispielsweise signalisieren, dass ein Pflanzenfresser angreift, auch wenn kein Pflanzenfresser anwesend ist.“ Die „Senderpflanzen“ würden von diesen unehrlichen Signalen profitieren: Weil ihre lokalen Konkurrenten daraufhin in kostspielige Abwehrmechanismen gegen Pflanzenfresser investieren, fehlen ihnen diese Ressourcen an anderer Stelle – beispielsweise beim Wachstum.

Lauschattacke im Wald

Aber wenn die Pflanzen ihre Nachbarn nicht aktiv vor drohender Gefahr warnen, wie bekommen sie dann mit, dass ein Angriff stattfindet? Die Modelle von Scott und seinem Team legen in diesem Zusammenhang zwei alternative Möglichkeiten nahe. Zum einen könnte es sein, dass angeknabberte Pflanzen zwar sehr wohl signalisieren, wenn sie angegriffen werden – aber nicht freiwillig. Die Forschenden ziehen den Vergleich zu einem Menschen, der unwillkürlich errötet, wenn er sich schämt.

Selbst wenn die Bäume nicht möchten, dass die Information über den Angriff an ihre Nachbarn weitergegeben wird, können sie die entsprechenden körpereigenen Signale, die mit einem solchen Angriff einhergehen, vielleicht nicht unterdrücken. Dadurch warnen sie die anderen Bäume im selben Pilznetzwerk quasi automatisch. Und diese warten womöglich sogar gezielt auf eine solche Warnung: „Vielleicht belauscht die eine Pflanze die andere einfach, so wie tratschende Nachbarn“, sagt Koautor Toby Kiers von der Freien Universität Amsterdam.

Mykorrhiza-Pilz
Sind es stattdessen die Mykorrhiza-Pilze, die Alarm schlagen? © Mateo Barrenengoa

Pilze als Nutznießer?

Die andere Möglichkeit besteht darin, dass es überhaupt nicht die Bäume sind, die Signale verbreiten. „Vielleicht sind es die Pilznetzwerke selbst, die die Warnsignale aussenden“, mutmaßt Scott. „Mykorrhiza-Pilze sind auf die Pflanzen in ihrem Netzwerk angewiesen, um Kohlenhydrate zu erhalten, daher ist es wichtig, dass diese Pflanzen in gutem Zustand sind. Vielleicht hören die Pilze ihre Pflanzenpartner ab, erkennen, wenn einer von ihnen angegriffen wird, und warnen die anderen, um sich vorzubereiten.“

In beiden Fällen würden somit zwar sehr wohl Warnsignale über das Wood Wide Web übertragen, aber eben nicht mit altruistischen, sondern egoistischen Absichten. Doch zurzeit ist nicht einmal eindeutig bewiesen, dass überhaupt Botschaften über die Pilzfäden ausgetauscht werden. Auch ob sie dann die umliegenden Bäume erreichen, bleibt offen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2025; doi: 10.1073/pnas.2420701122

Quelle: University of Oxford

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