Medizin

Warum Bisphenol A dick macht

Vorgeburtliche Belastung mit dem Umwelthormon stört Appetitzentren im Gehirn

Anfällig für Übergewicht: Wer kein Sättigungsgefühl verspürt, isst unnötig viel. © Amanaimages/ iStock.com

Fettleibige Kinder durch Umwelthormone: Wer schon im Mutterleib der Chemikalie Bisphenol A ausgesetzt ist, wird später eher dick. Ein Experiment mit Mäusen zeigt nun, warum das so ist: Offenbar wirkt sich die vorgeburtliche Belastung auf wichtige Appetitzentren im Gehirn aus. Als Folge reagieren diese weniger zuverlässig auf das Sättigungshormon Leptin. Sättigungssignale bleiben aus und es droht Übergewicht.

Die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) steckt in vielen Alltagsprodukten – von Wasserflaschen, über Konservendosen, bis hin zu Plastikschüsseln und Kassenzetteln. Oft ist die Substanz Zusatzstoff in sogenannten Weichmachern, die Kunststoffe flexibel, geschmeidig und elastisch machen sollen. Doch die Chemikalie ist mehr und mehr umstritten.

Studien belegen, dass Bisphenol A in den Hormonhaushalt eingreifen kann – und womöglich sogar Autismus begünstigt, Wachstumsprozesse stört und Übergewicht verursacht. Demnach können vorgeburtliche Belastungen mit der Chemikalie bereits im Mutterleib den Grundstein für eine spätere Fettleibigkeit bei Kindern legen.

BPA im Mäusefutter

Wissenschaftler haben nun erste Hinweise darauf gefunden, warum die umstrittene Substanz den Nachwuchs dick macht. Das Team um Alfonso Abizaid von der Carleton University im kanadischen Ottawa hatte schon länger einen Verdacht: Könnte es sein, dass Bisphenol A die Wirkweise des Sättigungshormons Leptin beeinflusst? Immerhin verfehlt genau dieser Botenstoff bei übergewichtigen Menschen oft seine Funktion.

Um ihre Hypothese zu überprüfen, mischten die Forscher schwangeren Mäusen die Chemikalie ins Futter. Insgesamt waren die Nager dadurch einer BPA-Belastung ausgesetzt, die von den öffentlichen Lebensmittelüberwachungsbehörden in den USA und Kanada noch als gesundheitlich unbedenklich eingeschätzt wird. Eine andere Gruppe schwangerer Mäuse wurde dem Umwelthormon zum Vergleich nicht ausgesetzt. Nach der Geburt untersuchte das Team, wie die Mäuse-Babys auf Leptin reagierten.

Geringerer Gewichtsverlust

Es zeigte sich: Wurde den Jungtieren durch Injektionen mit dem Hormon künstlich ein Sättigungssignal suggeriert, hatte das bei den belasteten Nagern eine geringere Durchschlagskraft als bei ihren nicht belasteten Artgenossen: Sie verloren im Laufe der Testphase deutlich weniger an Gewicht. Die Kommunikation zwischen dem Hormon und den Appetitzentren des Gehirns schien bei ihnen folglich nicht einwandfrei zu funktionieren.

Doch warum? Normalerweise sorgt ein Leptin-Schub kurz nach der Geburt bei den Mäusen dafür, dass wichtige Schaltkreise im Hypothalamus richtig programmiert werden und auf Sättigungssignale verlässlich reagieren. „Schon die geringe vorgeburtliche Belastung in unserem Test sorgte jedoch dafür, dass diese Programmierung erst verspätet stattfand“, sagt Abizaid. Der Aktivierungsschub ließ bei den Nagern mehrere Tage auf sich warten.

Veränderte Schaltkreise

Was diese Verzögerung bedeutet, offenbarte auch ein Blick ins Gehirn der Mäuse: Die Dichte jener Regionen im Hypothalamus, die für die Regulation des Energiehaushalts zuständig sind, war bei den belasteten Tieren reduziert. Auch die Aktivität in diesen Bereichen war deutlich geringer, wie die Wissenschaftler berichten.

„Das zeigt, dass Bisphenol A Schaltkreise im Hypothalamus verändern kann, die unter anderem das Fressverhalten steuern“, sagt Abizaid. Die Verspätung scheint die Neurobiologie der betroffenen Nager dabei nicht nur kurzfristig, sondern permanent zu verändern. „Dadurch sind sie im Erwachsenenalter anfälliger für Übergewicht und Fettleibigkeit.“

Ähnlicher Mechanismus beim Menschen?

Vorerst offenbaren die Ergebnisse lediglich, mit welchen Mechanismen Bisphenol A in den Hormonhaushalt von Tieren eingreifen kann. Allerdings: „Weil BPA auch beim Menschen mit Übergewicht in Verbindung gebracht wird, könnten solche Umweltfaktoren bei uns auf ähnliche Weise Übergewicht sowie Herz- und Stoffwechselerkrankungen fördern“, schließt Abizaid. (Endocrinology, 2017; doi: 10.1210/en.2016.1718)

(The Endocrine Society, 09.02.2017 – DAL)

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