Bäriger Bad Hair Day: Angesichts von Eis, Schnee und arktisch kalter Luft, denen Eisbären täglich ausgesetzt sind, müsste ihr Fell eigentlich gefrieren, doch das tut es nicht. Warum, haben Forschende jetzt herausgefunden. Demnach wirkt der speziell zusammengesetzte Eisbärentalg wie eine Schutzschicht gegen Vereisung – quasi als fettiges Frostschutzmittel. In Zukunft könnten auf Basis dieser Talg-Rezeptur nachhaltige Anti-Eis-Beschichtungen entstehen.
Der Eisbär (Ursus maritimus) ist das einzige arktische Landsäugetier, das zur Jagd regelmäßig ins eiskalte Wasser taucht. Kehrt das Raubtier zurück an Land, ist es dort mit Lufttemperaturen konfrontiert, die unter minus 40 Grad fallen können. Wir Menschen wären unter diesen Bedingungen kaum lebensfähig und unsere Haut und Haare würden sofort gefrieren. Doch das Fell von Eisbären bleibt in der Regel eisfrei. Wie gelingt den Tieren dieser Trick?
Struktur oder Beschichtung?
Während die wärmeisolierenden Eigenschaften von Eisbärenfell gut untersucht sind, ist der Grund für seine Anti-Eis-Fähigkeit ein Rätsel. Um mehr über diese Superkraft des Eisbärenfells zu erfahren, haben Forschende um Julian Carolan vom Trinity College Dublin daher nun Fellproben von sechs wildlebenden Eisbären genauer untersucht. Die zentrale Frage dabei: Hängt der Eisschutz mit der Struktur des Fells oder dessen Beschichtung zusammen?
Um das herauszufinden, verglich das Team gewaschene und ungewaschene Fellproben hinsichtlich ihrer Eishaftung. Falls der Gefrierschutz von der Struktur des Fells abhängig ist, müsste er in beiden Fällen bestehen bleiben. Handelt es sich hingegen um eine Beschichtung, die beim Waschen entfernt wird, dürfte nur ungewaschenes Fell Schutz vor Eis bieten.
Das Ergebnis: Tatsächlich erwies sich das ungewaschene Fell als erheblich frostresistenter als das gewaschene. Die Eisanhaftung war dabei sogar so gering wie die von künstlich hergestellten „Skifellen“, die an der Unterseite von Skiern befestigt werden, um einen Aufstieg trotz glattem Eis und Schnee zu ermöglichen. Die Ursache für diese besondere Fähigkeit muss also eine spezielle Beschichtung des Eisbärenfells sein.
Aber woraus besteht sie? Carolan und sein Team hatten dafür sehr schnell den Talg der arktischen Bären im Verdacht und führten daher eine detaillierte chemische Analyse der fettigen Substanz durch. Dabei zeigte sich, dass Eisbärentalg vorrangig aus Cholesterin, Diacylglycerinen und anderen Fettsäuren besteht. Ein bei verschiedenen anderen Säugetieren – darunter Menschen und Seeottern – typischer Bestandteil fehlte jedoch: Squalen.
Das Team nimmt daher an, dass das Fehlen dieses Fettstoffes der Schlüssel für die Frostschutz-Wirkung von Eisbärenfell sein muss. Welche Rolle genau das Squalen spielt, ist allerdings noch weitgehend unklar.
Frostschutz und Geräuschunterdrückung zugleich
Anders als bei uns Menschen sind fettige Haare bei Eisbären also nicht nur gesellschaftsfähig, sondern sogar überlebenswichtig. Ihr besonderer Talg schützt Eisbären jedoch nicht nur vor frostigem Fell, sondern erleichtert ihnen auch die Jagd im Meer. „Eine der Hauptjagdstrategien der Eisbären ist die Lauerjagd, bei der sie regungslos neben einem Atemloch auf dem Meereis liegen und darauf warten, dass Robben auftauchen“, erklärt Seniorautorin Bodil Holst von der Universität Bergen.
„Diese ruhige Jagd entwickelt sich häufig zu einer ‚Wasserpirsch‘, bei der der Eisbär mit seinen Hinterpfoten ins Wasser gleitet, um seine Beute zu verfolgen, und je geringer die Eishaftung ist, desto weniger Geräusche werden erzeugt und desto schneller und leiser ist das Gleiten“, so Holst weiter.
Auch die Inuit haben schon früh diese Vorteile von Eisbärenfell erkannt. Sie verwenden es daher traditionell bei der Jagd, indem sie zum Beispiel ihre Schuhe damit besohlen. So verhindern die indigenen Jäger eine Eiskristallisation und damit auch knisternde Geräusche beim Laufen. Die Inuit scheinen auch schon vor langer Zeit verstanden zu haben, wie essenziell es für diesen Effekt ist, das Fell eines erlegten Eisbären nicht zu waschen. Während andere Tierpelze wie zum Beispiel Fuchsfell bei ihnen traditionell mit Speckstein oder trockenem Ton gereinigt werden, bleibt Eisbärenfell unbehandelt.
Ein neues eisabweisendes Material?
Der besondere Talg bringt allerdings nicht nur Eisbär und Inuit Vorteile, sondern könnte künftig auch zu neuen, von der Natur abgeschauten Materialien führen. „Wir gehen davon aus, dass diese vom Bären produzierten natürlichen Lipidbeschichtungen uns dabei helfen werden, neue, nachhaltigere Anti-Eis-Beschichtungen zu entwickeln, die problematische ‚Ewigkeitschemikalien‘ wie PFAS, die bisher als Frostschutz-Beschichtungen verwendet wurden, ersetzen könnten“, sagt Koautor Richard Hobbs vom Trinity College Dublin.
Die bereits erwähnten Skifelle bestehen zum Beispiel häufig aus mit Fluorkohlenstoff beschichteten Fasern, die sich nur schwer natürlich abbauen lassen. Eine nachhaltige Alternative fehlt bislang. (Science Advances, 2025; doi: 10.1126/sciadv.ads7321)
Quelle: Trinity College Dublin, American Association for the Advancement of Science (AAAS)