Verblendet durch Gier: Die riskanten Spekulationen von Investmentbankern könnten auf einem simplen psychologischen Mechanismus beruhen: Ist jemand von Natur aus gierig und winkt dann noch eine Belohnung, nimmt er Risiken anders wahr. Er lernt nicht mehr aus Fehlern und ignoriert auch Warnsignale, wie ein Experiment deutscher Forscher belegt. Boni und die Aussicht auf viel Geld fördern demnach nicht gerade ein besonnenes Handeln.
Im Sommer 2007 weitet sich die US-amerikanische Immobilienkrise zu einer weltweiten Finanzkrise aus, deren Folgen bis heute die Märkte belasten. Einer der Gründe für diese Krise waren hochriskante Spekulationen von Bankern und Finanzdienstleistern. Die Frage stellte sich, warum so viele Vertreter dieser Branche scheinbar kollektiv die Risiken ignoriert haben. Hing dieses Verhalten möglicherweise mit Gier zusammen – dem Streben auf immer mehr Boni und Gelder? Und könnte es sein, dass gierige Menschen weniger gut aus Fehlern lernen als andere?
Johannes Hewig von der Universität Würzburg und seine Kollegen haben diese Fragen nun in einem Experiment an Studenten der Wirtschaftswissenschaften untersucht. Dafür ließen sie die Teilnehmer zunächst einen Fragebogen ausfüllen, mit dem sich der Grad ihrer Gier ermitteln ließ. „Der Test erfasst den Wunsch nach mehr, koste es was es wolle – einschließlich einem exzessiven Streben nach materiellen Gütern“, erklärt der Würzburger Psychologe Patrick Mussel. „Eine gierige Person zeichnet sich in unserer Definition durch die Bereitschaft aus, dass ihr Streben nach mehr auf Kosten von anderen geht.“
Gierige gehen größere Risiken ein
Als nächstes absolvierten die Probanden einen Test ihrer Risikobereitschaft – und ihrer Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen. Dafür sollten sie am Computerbildschirm einen virtuellen Luftballon so weit wie möglich aufblasen. Je praller er wurde, desto größer war ihre Chance auf einen Gewinn. Platzte der Ballon jedoch, verloren sie alles. Der Student mit dem größten Gewinn bekam am Ende der Durchgänge eine reale finanzielle Entlohnung als Preis.
„Wie erwartet zeigte sich, dass Personen, die besonders gierig waren, den Ballon häufiger aufpumpten als Personen mit niedrigeren Gier-Werten“, sagt Mussel. Interessanterweise war dieser Effekt besonders ausgeprägt, wenn sich die Personen zuvor mit der Biografie einer gierigen Person beschäftigt hatten. „Hier wurde das Persönlichkeitsmerkmal Gier gewissermaßen aktiviert“, erklärt Mussel.
Lernen aus Fehlern wird durch Gier erschwert
Um zu sehen, was während der Risiko-Aufgabe im Gehirn der Teilnehmer passiert, zeichneten die Forscher deren Hirnströme per Elektroenzephalogramm (EEG) auf. Dabei gab es etwa 280 Millisekunden nach dem Platzen oder Nichtplatzen des Ballons eine typische Reaktion, die als „feedbackbezogene Negativierung“ bezeichnet wird. Sie zeigt an, ob ein Ereignis besser oder schlechter war als erwartet und ist Teil des Denkprozesses, der es uns ermöglicht, aus Fehlern zu lernen und unser Verhalten entsprechend anzupassen.
Was die Forscher überraschte: Bei Personen mit hohen Werten beim Giertest verschwand diese charakteristische Reaktion auf den Feedbackstimulus. Gierige Versuchspersonen hatten unabhängig von Erfolg oder Nicht-Erfolg beim Aufblasen nahezu die gleiche Hirnaktivität. Das könnte bedeuten, dass gierige Menschen Schwierigkeiten haben, aus Fehlern zu lernen und ihr Verhalten anzupassen. Ähnliche Befunde wurden in früheren Studien bereits für Psychopathen berichtet.
Aussicht auf Belohnung verstärkt riskantes Verhalten
Nach Ansicht der Forscher legt dies nahe, dass Gier riskantes Verhalten fördern kann. Dabei ist dieser Effekt besonders stark, wenn die Gier zuvor geweckt wurde – beispielsweise durch die Aussicht auf eine Belohnung. Solche aktivierenden Einflüsse könnten beispielsweise ein hoher Bonus auf finanzielle Erfolge oder auch Aspekte der Unternehmenskultur sein.
Ein möglicher Erklärungsansatz: Das riskante Verhalten gieriger Personen könnte daher kommen, dass sie negative Reize oder Warnsignale aus der Umwelt ignorieren. Dies könnte auch das Auftreten und Platzen von Spekulationsblasen erklären. Sie entstehen dadurch, dass Investoren in einer Zeit steigender Kurse ihre Anteile zu lange halten und Indizien, die auf einen Umschwung hinweisen, ignorieren.
Als nächstes planen die Wissenschaftler, auch andere Zielgruppen, wie beispielsweise Investmentbanker, auf diesen Zusammenhang von Gier und Risiko hin zu testen. Darüber hinaus arbeiten die Psychologen an der Frage, aus welchen Facetten sich Gier zusammensetzt und durch welche Faktoren der Einfluss von Gier auf das Verhalten moderiert wird. (Social Neuroscience, 2014 doi: 10.1080/17470919.2014.965340)
(Julius-Maximilians-Universität Würzburg, 30.10.2014 – NPO)