Psychologie

Warum Gleichschritt Mut macht

Experiment zeigt: Synchrones Marschieren lässt potenzielle Feinde schwächer erscheinen

Gleichschritt schweißt zusammen - und lässt Feinde schwächer erscheinen © freeimages

Mutmacher mit Aggressionspotenzial: Marschieren im Gleichschritt stärkt nicht nur den Zusammenhalt, es lässt auch Feinde weniger bedrohlich erscheinen. Das belegt jetzt ein Experiment von US-Forschern. Das erklärt die Vorliebe des Militärs für synchrones Marschieren, könnte aber beispielweise bei Polizeieinsätzen auch ungerechtfertigt aggressives Verhalten fördern, warnen die Wissenschaftler im Fachmagazin „Biology Letters“.

Ob beim Militär, bei festlichen Paraden oder feierlichen Ritualtänzen: Der Gleichschritt oder andere Formen synchroner Bewegung spielen in vielen Kulturen eine wichtige Rolle. Einer der Gründe ist schon länger bekannt: Das gemeinsame Tun schweißt zusammen, es stärkt die Kooperation und das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Gerade wenn es in den Kampf oder einen Krieg geht, macht dieser Effekt zusätzlich Mut.

Ein Gleichschritt-Experiment

Aber ist das schon alles? Nach Ansicht von Daniel Fessler und Colin Holbrook von der University of California in Los Angeles nicht. Sie vermuteten, dass der Gleichschritt auch beeinflusst, wie wir Außenstehende und im Speziellen Bedrohungen sehen. Um das zu überprüfen, führten sie ein Experiment mit 96 jungen Männern verschiedener Herkunft durch.

Die Probanden wurden gebeten, jeweils zu zweit einen 244 Meter langen Weg entlang zu gehen – entweder im Gleichschritt oder ganz normal. Direkt anschließend zeigten die Forscher den Männern Bilder von vermeintlichen Kriminellen. Sie sollten nun angeben, wie groß, wie massig und wie muskulös der jeweils Dargestellte ihrer Einschätzung nach war. Außerdem sollten die Teilnehmer angeben, wie verbunden sie sich beim Gehen mit ihrem Partner fühlten.

Potenzieller Feind erscheint schwächer

Tatsächlich zeigte sich ein klarer Effekt des Gleichschritts: Die Männer, die zuvor im Gleichschritt gelaufen waren, schätzten die potenziell bedrohlichen Kriminellen durchgehend kleiner und schwächer ein als die normal gehenden Kontrollpersonen. Der potenzielle „Feind“ erschien ihnen damit als weniger bedrohlich, wie die Forscher berichten.

Das aber hat in einer akuten Konfliktsituation auch Einfluss auf die Motivation zum Kampf: „In solchen Situationen müssen Individuen schnell entscheiden, ob sie flüchten oder kämpfen – und ein wichtiger Faktor dafür ist die Einschätzung der Kampfkraft des Gegners“, erklären Fessler und Holbrook. Wenn Soldaten im Gleichschritt in den Krieg ziehen, dann stärkt das demnach nicht nur ihr Zusammengehörigkeitsgefühl, es hilft ihnen auch dabei, den Feind als weniger bedrohlich zu empfinden – und macht daher Mut.

Macht Geleichschritt angriffslustiger?

Doch dieser Gleichschritt-Effekt hat auch eine Schattenseite, wie die Forscher betonen: Menschen neigen eher dazu, anzugreifen, wenn ihnen ein Feind schwächer erscheint – die Synchronität könnte daher Ausbrüche von Gewalt sogar fördern. Bedenklich wird dies ihrer Ansicht nach dann, wenn dadurch beispielsweise Konflikte eskalieren, sei es bei einer Demonstration oder einem anderen Polizeieisatz.

„Angesichts der Allgegenwart von Gleichschritt und anderen Formen institutionalisierter Synchronität in so verschiedenen Zusammenhängen wie Sportwettbewerben und Polizeiaufmärschen sollte diese beunruhigende Möglichkeit näher untersucht werden“, betonen sie. (Biology Letters, 2014; doi: 10.1098/rsbl.2014.0592)

(Royal Society, 27.08.2014 – NPO)

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