Hunde erkennen die Stimme ihres Herrchens oder Frauchens aus Dutzenden anderen heraus. Und sie lesen unfehlbar deren Stimmung an Tonfall und Verhalten ab. Warum das so ist, haben ungarische Forscher jetzt herausgefunden: Hunde besitzen wie wir Menschen ein auf das Erkennen von Stimmen und Stimmnuancen spezialisiertes Hirnareal. Sie sind der erste Nicht-Primat, bei dem ein solches Stimmerkennungszentrum nachgewiesen wurde, wie die Forscher im Fachmagazin „Current Biology“ berichten.
Mit unserer Stimme kommunizieren wir nicht nur sprachliche Inhalte, sie verrät auch viel über unser Wesen und unser emotionales Befinden. Schon für unsere fernen Vorfahren war es daher wichtig, diese nonverbalen Informationen instinktiv zu erkennen und zu verstehen. Ob jemand freundlich oder feindlich gestimmt ist, konnte – und kann noch heute – im Extremfall sogar über Leben und Tod entscheiden. Auch der Hund als soziales Wesen ist es gewohnt, auf feinste Signale seiner Artgenossen zu reagieren.
Bellen und Lachen im Hirnscanner
Seit Tausenden von Jahren ist er zudem engster Begleiter des Menschen. Kein Wunder also, dass er sein feines Gespür auch in der Gemeinschaft mit uns Menschen nutzt. Die meisten Hundebesitzer haben schon erlebt, dass ihr Hund instinktiv auf Angst, Freude oder Kummer in ihrer Stimme reagiert hat. Attila Andics von der MTA-ELTE Comparative Ethology Research Group in Budapest und seine Kollegen haben nun erstmals untersucht, wo sich im Gehirn dieser Sinn für den emotionalen Gehalt unseres Sprechens lokalisieren lässt – und ob sie dafür ein ähnlich spezialisiertes Zentrum besitzen wie wir Menschen.
Für ihre Studie analysierten sie die Hirnaktivität von elf Hunden und 22 Menschen mittels funktioneller Magnetresonanztomographie, während diese insgesamt fast 200 verschiedene Laute von Hunden und Menschen hörten. Der emotionale Gehalt dieser Laute reichte dabei von neutral über Weinen beziehungsweise kläglichem Winseln bis hin zu freudigem Lachen oder spielerischem Gebell.
Erstaunliche Parallelen
Die Auswertungen zeigten verblüffende Übereinstimmungen: Bei Mensch und Hund reagierte jeweils ein Areal nahe dem primären Hörzentrum besonders stark, wenn diese glückliche Laute hörten – je positiver die Emotion, desto aktiver war auch dieses Areal. Auffallend bei den Hunden: Für sie schien es dabei kaum einen Unterschied zu machen, ob es sich um das glückliche Bellen eines Artgenossen oder das freudige Lachen eines Menschen handelte.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Mensch und Hund den gleichen Mechanismus nutzen, um emotionale Informationen aus Lautäußerungen auch von artfremden zu verarbeiten“, erklären die Forscher. Dies ergänzt frühere Forschungen, nach denen Hunde auch in Bezug auf andere nonverbale Signale ähnliche Mechanismen nutzen wie der Mensch. Erklärbar sind diese Parallelen nach Ansicht der Forscher vor allem durch ein in vieler Hinsicht ähnliches soziales Umfeld: Beide Arten leben in Gruppen, in denen nonverbale Signale wichtige Informationen über den sozialen Status und die Beziehungen untereinander übermitteln.
Gemeinsame Wurzeln oder Parallelentwicklung?
Interessant ist dies vor allem deshalb, weil Hund und Mensch nur sehr entfernt miteinander verwandt sind. Ihre Stammeslinien trennten sich bereits vor rund 100 Millionen Jahren. „Das eröffnet die Möglichkeit, dass sich diese spezialisierten Stimmareale schon sehr viele früher entwickelt haben als man bisher dachte“, sagen Andics und seine Kollegen. Denn zuvor hatte man diese Stimmzentren nur innerhalb der Primaten gefunden.
Die neuen Ergebnisse sprechen nach Ansicht der Forscher dafür, dass vielleicht schon der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Hund diese Fähigkeit zur Stimmerkennung und Interpretation besaß. Theoretisch, so schränken sie ein, sei es allerdings auch möglich, dass sich diese Fähigkeit bei beiden unabhängig voneinander entwickelte. Dennoch: „Dies könnte der erste direkte Beweis dafür sein, dass die Stimmverarbeitung von zuhörenden Säugetieren auf einer ihnen gemeinsamen speziellen strukturellen-funktionalen Organisation beruht“, so Andics und seine Kollegen. Erst diese Gemeinsamkeit macht es möglich, dass Mensch und Hund über die Artgrenzen hinweg ihre stimmlichen Signale verstehen. (Current Biology, 2014, doi: 10.1016/j.cub.2014.01.058)
(Cell Press, 21.02.2014 – NPO)