Süß und fettig: Nach einer durchwachten Nacht verspüren wir oft Lust auf Donuts und Co – warum, haben Forscher nun herausgefunden. Demnach macht Schlafmangel unser Riechsystem empfänglicher für verlockende Essensgerüche. Gleichzeitig kommuniziert es schlechter mit anderen Hirnbereichen, die normalerweise weitere für unser Essverhalten wichtige Informationen verarbeiten. Diese Veränderungen führen offenbar dazu, dass wir vermehrt zu Junkfood greifen.
Bekommen wir zu wenig Schlaf, spüren wir dies ziemlich schnell. Wir fühlen uns abgeschlagen, sind ungewöhnlich leicht reizbar und können uns kaum konzentrieren. Ein weiterer Effekt einer durchwachten Nacht: Wir verspüren Heißhunger auf Junkfood. „Menschen, die nicht genügend geschlafen haben, bevorzugen oft süßes und fettiges Essen, was auf Dauer Übergewicht fördern kann“, erklären Surabhi Bhutani von der Northwestern University in Chicago und ihre Kollegen.
Wie aber kommt das? Studien deuten darauf hin, dass unser Körper als Reaktion auf Schlafmangel vermehrt bestimmte Endocannabinoide produziert. Diese Botenstoffe sind unter anderem an der Regulierung von Appetit und Essverhalten beteiligt und beeinflussen auch, wie unser Gehirn auf Gerüche reagiert – zum Beispiel von Nahrung.
Snackbuffet nach einer kurzen Nacht
Um mehr über die Rolle des Endocannabinoid-Systems für das seltsame Verlangen Übermüdeter nach Donuts und Co herauszufinden, haben die Forscher nun ein Experiment mit 29 Probanden durchgeführt. Dafür teilten sie die Männer und Frauen im Alter zwischen 18 und 40 Jahren in zwei Gruppen ein. Die erste Gruppe durfte zunächst eine Nacht ausschlafen, einige Wochen später folgte dann eine Testnacht mit nur vier Stunden Schlaf. Bei der zweiten Gruppe drehten die Wissenschaftler das Experiment um: auf die kurze folgte die erholsame Nacht.
Am Tag nach jeder Testnacht servierten Bhutani und ihr Team den Studienteilnehmern ein festgelegtes Menü aus Frühstück, Mittag- und Abendessen. Zusätzlich stand jedoch ein Buffet mit unterschiedlichen Snacks zur freien Verfügung. Wie häufig würden die Probanden zugreifen – und was würden sie sich in den Mund schieben?
Mehr Donuts, Kekse und Chips
Das Ergebnis: „Die Testpersonen veränderten ihr Essverhalten“, berichtet Bhutanis Kollege Thorsten Kahnt. „Nachdem ihnen der Schlaf entzogen worden war, aßen sie mehr Nahrung mit einer hohen Energiedichte wie Donuts, Schokoladenkekse und Chips.“ Blutuntersuchungen bestätigten, dass dieses Verhalten offenbar mit einer veränderten Konzentration eines Endocannabinoids einherging. So war der Spiegel des Botenstoffs 2-Oleoylglycerin (2-OG) nach der schlaflosen Nacht messbar erhöht.
Die Folgen des Schlafmangels wurden auch im Gehirn deutlich. Bevor die Studienteilnehmer freien Zugang zum Buffet erhielten, präsentierten die Forscher ihnen eine Reihe unterschiedlicher Gerüche – darunter Essensdüfte, aber auch andere Gerüche. Dabei beobachteten sie mithilfe der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT), wie der sogenannte piriforme Cortex reagierte. Er ist die erste kortikale Hirnregion, die Informationen von der Nase erhält.
Verminderte Verknüpfung von Hirnregionen
Die Auswertungen offenbarten, dass dieser Teil des Riechsystems bei übermüdeten Probanden deutlich stärker auf Essens- als auf nicht Nicht-Essensdüfte reagierte. Im ausgeschlafenen Zustand zeigte diese Hirnregion dagegen bei beiden Geruchstypen eine vergleichbare Aktivität. Gleichzeitig stellten die Wissenschaftler fest, dass der piriforme Cortex nach der durchwachten Nacht schlechter mit der Insula verknüpft war, mit der er normalerweise Informationen austauscht. Die Insula empfängt Signale, die für eine adäquate Nahrungsaufnahme relevant sind: Dazu gehören Geruchs- und Geschmacksreize, aber auch Informationen zum Völlegrad des Magens.
Durch die mangelhafte Verknüpfung fehlen demnach wichtige Informationen – und das wirkt sich auf unser Essverhalten aus. „Wenn der piriforme Cortex nicht mehr richtig mit der Insula kommuniziert, greifen Menschen zu energiereicheren Nahrungsmitteln“, berichtet Kahnt. So zeigten die Ergebnisse: Je geringer die Verknüpfung zwischen beiden Hirnregionen, desto größer war der Anstieg des Botenstoffs 2-OG und desto stärker veränderte sich die Snackwahl der Probanden.
Verführerischen Düften aus dem Weg gehen
Alles in allem zeichnet sich damit ab: Schlafmangel scheint tatsächlich das Endocannabinoid-System unseres Nervensystems zu beeinflussen. Als Folge funktioniert die Kommunikation zwischen Insula und piriformem Cortex weniger gut und wir greifen vermehrt zu Junkfood. Nach Ansicht der Forscher könnten ähnliche Mechanismen auch für Essensentscheidungen in anderen Kontexten eine Rolle spielen. Sie versprechen sich von einem besseren Verständnis dieses Phänomens daher neue Ansätze für die Bekämpfung von Übergewicht.
Was aber lässt sich gegen die Essensgelüste nach einer durchwachten oder kurzen Nacht tun? Verführerischen Düften aus dem Weg gehen, rät Kahnt: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Schlafmangel unser Gehirn empfänglicher für verlockende Essensgerüche macht. Es könnte daher eine gute Idee sein, beim nächsten Mal einen großen Bogen um den Donut-Shop zu machen, wenn Sie einen 6-Uhr-Flug erwischen müssen“, schließt der Forscher. (eLife, 2019; doi: 10.7554/eLife.49053.001)
Quelle: Northwestern University