Biologie

Warum Spiderman von der Wand fallen müsste

Haftstrukturen im Tierreich folgen einer Größenregel – und die erfüllt Spiderman nicht

Spiderman klebt an der Wand wie eine Spinne - eine biologische Unmöglichkeit? © gemeinfrei

Gäbe es Spiderman wirklich, müsste er kläglich abstürzen – eigentlich. Denn in der Natur folgen alle tierischen Haftorgane einer Größenregel, wie Forscher herausgefunden haben. Nach dieser muss die Haftfläche bei höherem Körpergewicht überproportional stark wachsen. Spiderman müsste daher fast seine gesamte Vorderseite mit Haftstrukturen bestücken – oder Haftschuhe der Größe 145 tragen, wenn er an senkrechten Wänden haften will.

Scheinbar mühelos klettert Spiderman selbst senkrechte Wände hoch und hängt kopfüber an der Decke. Die Haftkraft dafür verdankt er – so erzählen es Comic und Film – einem Patent der Natur. Denn Spiderman erhielt seine außergewöhnlichen Fähigkeiten von einer Spinne. Sie nutzt, ähnlich wie viele Insekten und auch die Geckos, spezielle Nanostrukturen an ihren Füßen als Haftorgane. Mittels Adhäsion halten die nanostrukturierten Zehen dieser Tiere sie an der Wand fest.

Spurensuche im Tierreich

Längst haben Forscher die Baupläne dieser genialen Haftstrukturen im Detail studiert und sogar nachgebaut. Immer besser verstehen sie, wie die Kombination aus verschiedenen Formen und Materialien selbst pummelige Marienkäfer an der Wand festhält. Dabei stellt sich jedoch die Frage: Warum ist der Gecko das größte bekannte Tier mit solchen Haftorganen? Und wie groß müssten solche Haftflächen sein, um einen Menschen an der Wand zu halten?

David Labonte von der University of Cambridge und seine Kollegen haben dies nun genauer untersucht. Für ihre Studie analysierten und verglichen sie Körpergewicht und Abmessungen der Haftorgane von 225 kletterfähigen Tierarten – von der winzigen Milbe bis zum vergleichsweise großen Gecko. „Die Körpergewichte der Tiere umfassten sieben Größenordnungen – das entspricht etwa dem Vergleich einer Kakerlake mit dem Big Ben“, sagt Labonte.

Ob Gecko oder Ameise - die Größe ihrer Haftflächen steht im Verhältnis zu ihrem Körpergewicht. © A. Hackmann and D. Labonte

Überproportionaler Flächenzuwachs

Der Vergleich ergab: Die Größe der Haftorgane nimmt mit dem Körpergewicht der Tiere überproportional stark zu. „Größere und schwerere Arten brauchen in Relation mehr Haftkraft, um trotzdem noch an senkrechten Flächen haften zu können“, sagt Labonte. Von Milben zu Geckos vergrößert sich der für die Haftung benötigte Anteil der Körperoberfläche um das 200-fache.

Und genau hier liegt das Problem – auch für Spiderman. Denn je größer ein Tier ist, desto geringer ist seine Oberfläche im Verhältnis zum Volumen. Das bedeutet, dass große Tiere oder der Mensch weniger Fläche zur Verfügung haben, auf der sie Haftorgane platzieren könnten – aber ausgerechnet sie bräuchten besonders viel davon.

Spiderman mit Schuhgröße 145

„Wenn ein Mensch eine Wand hinauflaufen wollte wie ein Gecko, dann bräuchte er unpraktisch riesige Haftfüße – seine Schuhe hätten Größe 145“, sagt Labontes Kollege Walter Federle. Denn wie die Forscher ausrechneten, müssten wir rund 40 Prozent unserer gesamten Körperoberfläche in Haftflächen verwandeln. Und wenn wir nur die Vorderseite rechnen, dann müssten sogar 80 Prozent davon mit klebrigen Haftstrukturen bedeckt sein.

Das aber wäre wenig günstig für so ziemlich alle anderen Lebensumstände. „Die Evolution solcher Merkmale wäre eher unpraktisch“, sagt Labonte. Und wie uns die Biologie lehrt, setzen sich unpraktische Merkmale in der Evolution auf Dauer nicht durch. „Das deutet darauf hin, dass es bei Tieren eine natürliche Größengrenze für Haftflächen als Kletterhilfe gibt – und diese liegt in etwa bei der Größe eines Geckos.“

Regel ausgetrickst

Sind damit alle Träume von Spiderman-Anzügen vom Tisch? Nicht ganz. Denn auch in der Natur gibt es einige Tiere, die die natürlichen Begrenzungen einfach austricksen, wie die Forscher bei Fröschen beobachteten. „Wir stellten fest, dass bei einigen eng verwandten Arten die Größe der Haftfüße nicht genügend zunahm, um ihr Körpergewicht auszugleichen“, berichtet Koautor Christofer Clemente von der University of the Sunshine Coast. „Dennoch hielten sich diese Frösche an der Wand.“

Der Trick dahinter: Statt nur die Größe der Haftflächen zu erhöhen, haben diese Frösche die Nanostrukturen so modifiziert, dass sie bei gleicher Fläche eine bessere Haftkraft entfalten. Und genau das wäre auch die Lösung für Spiderman. Immerhin haben US-Forscher bereits bionische Haft-Pads entwickelt, mit denen 2014 ein Mensch nach Geckovorbild eine gläserne Hausfassade erklommen hat – und das, obwohl die Haftpaddel nur so etwa groß sind wie ein DINA3-Blatt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1519459113)

(University of Cambridge, 19.01.2016 – NPO)

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