Ihr evolutionärer Erfolg steht den Fröschen buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Ihre Kaulquappen besitzen spezielle Strukturen am Kopf, die ihnen die Nahrungssuche erleichtern. Jetzt haben deutsche Forscher herausgefunden, dass das Gen „FOXN3“ für diese Gesichtsstrukturen der Frösche eine entscheidende Rolle spielt und wie es genau wirkt. Die jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Anatomy“ veröffentlichte Studie gibt damit Einblick auch in die Evolution der Amphibien insgesamt.
„Sei kein Frosch!“ So heißt es umgangssprachlich oft, wenn jemand zu lange zögert, statt beherzt zu handeln. Dabei könnte die Bezeichnung als „Frosch“ durchaus Anlass sein, das eigene Selbstbewusstsein zu stärken. Schließlich sind Frösche absolute Gewinnertypen – zumindest evolutionsbiologisch betrachtet: Fast 6.000 verschiedene Arten sind heute bekannt. „Damit sind Frösche zahlenmäßig allen anderen Amphibienarten und zum Beispiel auch den Säugetieren überlegen“, erklärt Professor Lennart Olsson von der Universität Jena.
Kaulquappen-Maul als evolutionäre Errungenschaft
Ihr evolutionärer Erfolg steht den Fröschen dabei buchstäblich ins Gesicht geschrieben: Zu den „Innovationen“ der Frösche gehören unter anderem bestimmte Knorpel- und Knochenstrukturen im Kopfbereich der Kaulquappen. Diese nur bei Fröschen vorkommenden Strukturen sind im Bereich des Mundes zu finden. Sie ermöglichen den Kaulquappen – etwa des Südafrikanischen Krallenfroschs (Xenopus laevis) – besonders gut, pflanzliche Nahrung vom Boden und Steinen abzuraspeln oder aus dem Wasser zu filtern.
Einen zentralen Faktor für die Entwicklung dieser morphologischen Besonderheiten der Kaulquappen hat jetzt Olssons Team von der Universität Jena gemeinsam mit Ulmer Kollegen untersucht. Aus früheren Untersuchungen war bekannt, dass das Gen „FOXN3“ eine Schlüsselrolle in der embryonalen Entwicklung des Kopfes von Krallenfröschen spielt. „Es ist für eine normale Entwicklung von Knorpeln, Knochen und Muskeln verantwortlich“, erläutert die Biologin Jennifer Schmidt von der Universität Jena.
Deaktiviertes „FOXN3“-Gen erzeugt Missbildungen
In ihrer Studie schalteten die Forsdcher bei Larven des Krallenfroschs gezielt das „FOXN3“-Gen ab und verglich diese Tiere diese mit unbehandelten Larven. „Unsere Untersuchungen mittels Mikro- Computertomographie zeigen, dass sich die Larven ohne intaktes ,FOXN3’-Gen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt zunächst normal entwickeln“, so Schmidt. „Dann aber verzögert sich die Entwicklung. Die Tiere wachsen insgesamt langsamer.“ Vor allem aber entwickeln sich die Knorpel und Muskeln nicht korrekt. Es kommt zu Deformationen und Funktionseinschränkungen.
Allerdings: Nicht alle Knorpel und Muskeln sind von der Gen-Abschaltung betroffen. „Wir konnten zeigen, dass ,FOXN3’ vor allem die Entwicklung der Knorpel im Mund- und Kiemenbereich beeinflusst“, macht Olsson deutlich. Gerade diese Strukturen gehören zu den evolutionären Neuentwicklungen der Frösche, die anderen Amphibien fehlen. In ihrer Doktorarbeit möchte Schmidt ihre Untersuchungen deshalb weiter fortsetzen. „Wir wollen die Embryonalentwicklung der Krallenfrösche mit der anderer Amphibien vergleichen“, sagt die Zoologin. Interessant sei es zu erfahren, inwieweit sich die genetische Kontrolle dieser Neuentwicklungen in der Evolution veränderte. (J Anat. 2010; doi: 10.1111/j.1469-7580.2010.01315.x.)
(Universität Jena, 14.01.2011 – NPO)