Wir Menschen essen nicht immer gesund und schon gar nicht immer entsprechend unseren eigentlichen körperlichen Bedürfnissen. Fruchtfliegen jedoch fressen immer gerade das am liebsten, was ihr Körper am dringendsten braucht. Wie das funktioniert, hat ein Forscherteam jetzt herausgefunden. Ein spezieller Sensor im Gehirn fragt den aktuellen Protein-Versorgungsstatus ab und steuert dann den Appetit entsprechend. Die im Journal „Current Biology“ veröffentlichten Erkenntnisse könnten auch für so unterschiedliche Organismen wie Menschen und Moskitos Bedeutung haben.
Ausgewogene Ernährung nützt nicht nur dem Menschen, sie ist für alle Lebewesen von Bedeutung. Wenn Tiere zwischen Nahrungsmitteln wählen können, so entscheiden sie sich ziemlich genau für das, was ihr Körper gerade benötigt. Warum das so ist, hat ein internationales Forscherteam jetzt untersucht. In ihren Experimenten an Fruchtfliegen (Drosophila melanogaster) verfolgten Wissenschaftler am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien unter Leitung von Carlos Ribeiro und Barry Dickson das Fressverhalten der Fliegen über viele Wochen.
Vorlieben von Nährstoff-Bedarf reguliert
Um das Fressverhalten zu dokumentieren, ließen sich die Forscher einen simplen aber raffinierten Trick einfallen. Das mit Hefe angereicherte Futter wurde blau eingefärbt, die zuckerreiche Nahrung rot. Um herauszufinden, was die Fliegen gefressen hatten, mussten die Forscher nur den transparenten Leib der Fliegen unter dem Mikroskop betrachten.
Ribeiro entdeckte, dass sich die Ernährungs-Vorlieben der Tiere je nach Nährstoff-Bedürfnis des Körpers ändern, aber auch vom Geschlecht und dem jeweiligen Paarungszustand abhängen. Wenn die Tiere ausreichend mit Zucker und Eiweiß versorgt sind, verschmähen sie eiweißreiches Futter. Nach einigen Tagen unter eiweißarmer Diät bevorzugen sie jedoch das mit Hefe versetzte, proteinreiche Futter. Weibchen ändern ihre Präferenz rascher als Männchen, befruchtete Weibchen rascher als jungfräuliche.
„Fühler“ fragt Protein-Status ab
Als entscheidend für die Nahrungswahl erwies sich ein bestimmter Fühler im Gehirn der Tiere, der den Protein-Versorgungsstatus im Körper abfragte. „Dieser Versuchsansatz und die ausgereiften Methoden der Fliegengenetik erlaubten es uns, noch einen Schritt weiter zu gehen“, erläutert Ribeiro. „Wir können nun die Moleküle und Neuronen beschreiben, die befruchtete Weibchen rascher reagieren lassen. Wir wissen auch, welche Moleküle im Fliegen-Gehirn dafür verantwortlich sind, Proteinmangel zu erkennen und auf andere Nahrungsquellen umzuschalten. Damit haben wir quasi den molekularen Sensor entdeckt.“
Erkenntnisse übertragbar auf Menschen und Moskitos
Dieser Fühler scheint auch bei anderen Spezies das Fressverhalten der Weibchen zu regulieren. Weibliche Moskitos etwa sind auf Blut als Eiweißquelle angewiesen, damit sich ihre Eier entwickeln können. Der Impuls, zu stechen und Blut zu saugen, könnte durch den gleichen molekularen Sensor gesteuert sein wie bei Drosophila. Selbst auf Wirbeltiere und damit den Menschen lassen sich die Erkenntnisse übertragen. Die Regulation der Aufnahme von Eiweiß und Kohlenhydraten ist möglicherweise auch bei der Entstehung von Essstörungen von Bedeutung – eines der großen Gesundheitsprobleme in westlichen Gesellschaften.
„Wenn wir verstehen, wie der Sensor bei Fruchtfliegen das Verlangen nach eiweißreicher Nahrung steuert, wäre es denkbar, in dieses Steuerungssystem einzugreifen“, so Ribeiro über die praktischen Konsequenzen der Forschungsergebnisse. „Bei Moskitoweibchen könnten wir so zum Beispiel den Bluthunger unterdrücken und damit den Übertragungsweg der Malaria-Parasiten blockieren.“
(IMP – Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie, 17.05.2010 – NPO)