Mikrobielle Vielfalt: In Sauerteig steckt eine größere Vielfalt an Mikroben als angenommen. Forscher haben neben Milchsäurebakterien auch 70 verschiedene Hefen und in einigen Sauerteigansätzen zudem Essigsäurebakterien nachgewiesen. Die Zusammensetzung der Mikroben hängt dabei nicht vom Herstellungsort des Sauerteigs, sondern von seiner Lagerung, Pflege und den mikrobiellen Interaktionen ab.
Bakterien können uns nicht nur krankmachen, sie sind auch wichtige Helfer – unter anderem in unserer Darmflora, aber auch in der Lebensmittel-Produktion. Dort begleiten und mikrobielle Helfer schon seit Jahrtausenden etwa in Form von Joghurt oder Kefir und sind auch für Säuerungsprozesse zur Herstellung von Sauerteigbrot verantwortlich. Die Vielzahl an Hefen und Milchsäurebakterien im Sauerteig-Starter produzieren Kohlendioxid und Enzyme, die den Teig säuern und den Geschmack, die Textur, die Haltbarkeit und den Nährwert des Brotes beeinflussen.
Mikrobiom im Sauerteig untersucht
Doch welche Mikroben stecken genau in dem fermentierten Teigansatz? Und wofür sind sie zuständig? Das haben nun Forscher um Elizabeth Landis von der Tufts University nahe Boston untersucht. Dabei wollten sie auch herausfinden, ob die mikrobielle Vielfalt des Sauerteigs vom Herstellungsort abhängig ist und welche Rolle die Interaktionen der Mikrobenarten dabei spielen.
Für ihre Studie sammelte das Forscherteam 500 Proben von Sauerteigstartern von Bäckern in den USA und Europa, sowie aus Australien, Neuseeland und Thailand. Die Wissenschaftler sequenzierten die DNA aller Proben, um die Mikrobenspezies zu erfassen und wählten anschließend 40 Starter aus, die repräsentativ für die mikrobielle Vielfalt waren. Diese Starter kultivierten sie und untersuchten das Aroma sowie die Struktur und Menge der organischen Stoffe, die in jedem Teig freigesetzt wurden. Schließlich verglichen die Forschenden, wie schnell damit zubereitete Brotteige aufgingen.
Essigsäurebakterien und 70 Hefearten
Die Wissenschaftler wiesen zwar wie erwartet hauptsächlich Hefen und Milchsäurebakterien nach, entdeckten aber zudem, dass rund 30 Prozent der Proben Essigsäurebakterien (Rhodospirillales) enthielten. „Wir dachten, dass sie in gewissem Maße vorhanden sein könnten, da Bäcker oft über Essigsäure sprechen, aber wir haben nicht mit den Mengen gerechnet, die wir gefunden haben“, erklärt Landis Kollege Benjamin Wolfe.
Nähere Untersuchungen ergaben, dass die Essigsäurebakterien zum typisch säuerlichen Aroma des Sauersteigs beitragen, aber das Aufgehen verlangsamen. Interessant auch: Nur etwa 70 Prozent der Starterkulturen enthielten die typische Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae), die anderen Teige hingegen nicht. Stattdessen fanden die Forscher insgesamt in allen Sauerteigansätze 70 verschiedene Hefearten.
Mikroben unterscheiden sich nicht nach Herkunft
Beim Vergleich der Zusammensetzung der verschiedenen Proben stellte das Forscherteam fest, dass es zwar eine enorme Variation zwischen den Mikrobiomen der Sauerteige gab, aber der Herstellungsort nicht dafür verantwortlich war. „Was wir stattdessen fanden, war, dass viele Faktoren kleine Effekte hatten, die zusammen genommen einen großen Unterschied machen können“, so Koautorin Angela Oliverio von der University of Colorado. Beispiele dafür waren der Mehltyp, das Alter des Sauerteigstarters, wie oft er gefüttert und wo er gelagert wurde.
Auch die Interaktionen verschiedener Mikrobenarten kann ihre die mikrobielle Verteilung beeinflussen, so die Forscher. Es zeigte sich zum Beispiel, dass die Art Lactobacillus brevis allein wächst, aber auch in Konkurrenz mit sieben anderen Milchsäurebakterien- und Hefe-Spezies. Im Gegensatz dazu kann die eng verwandte Spezies Lactobacillus sanfranciscensis nicht allein überleben und und wird von der konkurrierenden Hefeart Candida humilis verdrängt.
Weitere Forschung zur Funktion nötig
„Dies ist die erste Studie, die zeigt, wie die mikrobielle Vielfalt von Sauerteigen in diesem Umfang und über mehrere Kontinente hinweg aussieht“, so Landis. „Sauerteig ist ein hervorragendes Modellsystem, um die Interaktionen zwischen Mikroben zu untersuchen, die die Gesamtstruktur des Mikrobioms formen. Indem wir die Interaktionen zwischen den Mikroben analysieren, die zu Kooperation und Konkurrenz führen, können wir die Interaktionen besser verstehen, die zwischen Mikroben im Allgemeinen auftreten – und in komplexeren Ökosystemen“, folgert die Forscherin.
Da die Studie nur auf ersten Beobachtungen beruht, soll in zukünftigen Forschungen die Funktion und Koexistenz der Mikrobenarten weiter untersucht werden, so Wolfe abschließend. (eLife, 2021, doi: 10.7554/eLife.61644)
Quelle: North Carolina State University