„Heiliges“ Harz: Weihrauch wird seit Jahrtausenden genutzt, doch bald könnte dieses Duftharz knapp werden. Denn den Hauptlieferanten des Weihrauchs, den Boswellia-Bäumen, geht es schlecht. Ihre Populationen sind überaltert, geschwächt und schon seit Jahrzehnten sind keine neuen Pflanzen nachgewachsen, wie Forscher festgestellt haben. Es droht ein Kollaps der Populationen. Schon in den nächsten 20 Jahren könnte dadurch die Weihrauchernte auf die Hälfte sinken.
Weihrauch war schon im Altertum als kostbare Gabe begehrt und wurde über die „Weihrauchstraße“ über Kontinente hinweg gehandelt. Doch auch heute noch ist Weihrauch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für Ostafrika, einem der Hauptlieferanten für das duftende Baumharz. Der Weihrauch wird dort durch Anritzen der Rinde von Boswellia-Bäumen gewonnen. Wird dieses sogenannte Tapping jedoch zu oft durchgeführt, leiden die Bäume und sind anfälliger für Insekten und Krankheiten.
Wie es um die Boswellia-Bestände in Ostafrika steht, haben nun Frans Bongers von der Universität Wageningen und sein Team untersucht. Für ihre Studie analysierten sie Alter und Zustand von 23 Beständen mit mehr als 20.000 Bäumen der Art Boswellia papyrifera in Eritrea, Äthiopien und im Sudan. „Diese Boswellia-Art ist seit den 1990er der Hauptlieferant für Weihrauch weltweit“, berichten die Forscher. „Sie macht zwei Drittel der Gesamtproduktion aus.“
Überalterte Bestände, drohender Kollaps
Das erschreckende Ergebnis: „Wir fanden Belege für einen Populationskollaps bei Boswellia papyrifera im gesamten geografischen Verbreitungsgebiet“, berichten Bongers und sein Team. „In mehr als 75 Prozent der untersuchten Bestände gibt es schon seit Jahrzehnten keine natürliche Regeneration mehr.“ Wie die Forscher feststellten, wachsen keine Keimlinge mehr heran, so dass es an jungen Bäumen fehlt.
Als Folge sind die Boswellia-Bestände überaltert – und könnten in naher Zukunft komplett kollabieren. „Alle unsere Modellprojektionen ergaben einen rapiden Schwund der Populationen in den kommenden Jahrzehnten“, berichten die Wissenschaftler. „In 15 Jahren könnten die Bestände um 50 Prozent zurückgegangen sein, in 25 Jahren um 71 Prozent.“ Nach Ansicht von Bongers und seinen Kollegen ist die Bedrohung für die Boswellia-Bäume damit groß genug, um diese Art in die Rote Liste der bedrohten Arten aufzunehmen.
Drastischer Einbruch der Weihrauchproduktion
Für die Weihrauch-Ernte bedeutet dies: Es könnte bald Nachschubmangel herrschen. „Die Weihrauchproduktion wird in den nächsten Jahrzenten in allen außer einer Population drastisch und schnell einbrechen“, prognostizieren die Wissenschaftler. Als Folge wird die Weihrauchmenge schon in knapp 20 Jahren um 50 Prozent gesunken sein.
Als Hauptursache für den Rückgang der Bestände und den fehlenden Nachwuchs sehen die Forscher eine Übernutzung der Baumbestände durch eine zu starke Beweidung der Plantagen durch Vieh. Denn dieses frisst die Keimlinge ab und verhindert so das Nachwachsen junger Bäume. Hinzu kommt jedoch auch eine erhöhte Mortalität der ausgewachsenen Boswellia-Bäume. Hauptgrund dafür: „Die Boswellia-Bäume werden aktuell viel häufiger getapped als früher – mit dramatischen Konsequenzen für Samenproduktion und Überleben der Bäume“, so Bongers und sein Team.
Verknappung selbst mit Gegenmaßnahmen zu erwarten
„Der Weihrauch ist in Gefahr“, warnen die Wissenschaftler. „Unsere Studie zeigt, dass die verbleibenden Boswellia papyrifera-Populationen in den kommenden Jahrzehnten kollabieren und die Weihrauchproduktion drastisch einbrechen wird.“ Hinzu komme, dass der tatsächliche Einbruch der Weihrauchernten sogar noch drastischer ausfallen könne als hier ermittelt, weil der allgemeine Waldverlust nicht mitberücksichtigt wurde.
Mit dem Nachschub für katholische Messen und andere Nutzungen des Weihrauchs sieht es demnach düster aus: „Selbst mit Maßnahmen, um langfristig die Ernten zu erhalten, lässt sich ein verringerter Ertrag in den nächsten Dekaden nicht mehr verhindern“, betonen Bongers und sein Team. „Und für andere Boswellia-Arten sieht es ähnlich aus.“ (Nature Sustainability, 2019; doi: 10.1038/s41893-019-0322-2)
Quelle: Nature