Signalwirkung: Um Bestäuber anzulocken, versehen Hibiskus-Blumen ihre Blüten mit unterschiedlichen Zielscheiben-Mustern, wie Biologen herausgefunden haben. Das farbige Design der Hibiskusblüten ist zwar bereits früh in der Pflanzenentwicklung angelegt, jedoch erstaunlich wandelbar, so dass das genaue Blütenmuster sich erst spät zeigt und während des Wachstums angepasst werden kann. Das Muster hilft den Blumen möglicherweise, mehr bestäubende Insekten anzulocken.
Insekten wie Bienen und Hummeln ernähren sich vom Nektar und den Pollen von Blütenpflanzen. Im Gegenzug helfen sie den Pflanzen bei der Bestäubung und Fortpflanzung. Damit die Insekten schneller fündig werden, haben Blumen verschiedene Muster und Farben mit Signalwirkung entwickelt, die in der Regel zur Blütenmitte und damit zu den Pollen weisen. Das können farbige Flecken, Streifen oder Zielscheiben-Muster sein.
Doch wie entstehen diese Blütenmuster? Und warum gibt es sie nicht in einem universellen Design, sondern in so unterschiedlichen Ausprägungen?
Blüten dreier Hibiskus-Arten im Vergleich
Diesen Fragen ist nun ein Team um Lucie Riglet von der University of Cambridge nachgegangen. Dafür verglichen die Biologen drei nahe verwandte Hibiskus-Arten, deren weiße Blüten in der Mitte dunkelrot bis violett eingefärbt sind. Die Blüten dieser Arten sind zwar gleich groß, nicht jedoch ihr farbiges Zentrum. Bei Hibiscus richardsonii umfasst der eingefärbte Bereich vier Prozent der Blütenfläche, bei Hibiscus trionum sind es 16 Prozent und bei einer genetisch veränderten Form von Hibiscus trionum sogar 36 Prozent.
Um herauszufinden, wie diese Muster entstehen, analysierten und verglichen Riglet und ihre Kollegen unter dem Mikroskop den Aufbau der Blütenblätter dieser drei Arten in unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Mit einem Computermodell simulierten sie aus den Daten dann den molekularen Verlauf der Blütenbildung.
Früher Bauplan und spätes Fine-Tuning
Dabei zeigte sich, dass Hibiskus-Pflanzen über einen unsichtbaren Bauplan verfügen, der die Größe ihrer farbigen Blütenzentren vorgibt. Diese „Malanleitung“ etabliert sich bereits sehr früh im Verlauf der Blütenbildung – lange bevor Farbe ins Spiel kommt. „Im frühesten Stadium, das wir sezieren konnten, haben die Blütenblätter etwa 700 Zellen und sind noch grünlich gefärbt, ohne sichtbares violettes Pigment und ohne Unterschied in der Zellform oder -größe“, berichtet Riglet.
„Wenn sich das Blütenblatt zu 4.000 Zellen weiterentwickelt hat, hat es immer noch kein sichtbares Pigment – aber eine bestimmte halbmondförmige Region, in der die Zellen größer sind als ihre umliegenden Nachbarn.“ Wie sich zeigte, bilden diese Zellen später eine Grenzschicht und trennen den weißen Blütenrand von der lila eingefärbten Blütenmitte.
Die Computersimulationen ergaben zudem, dass die Hibiskus-Pflanzen die genaue Platzierung der Farbgrenze und damit die Größe der farbigen Blütenmitte während des Blütenwachstums anpassen und verändern können. Denn nicht nur der Zeitpunkt, zu dem sich die Grenzschicht erstmals ausbildet, sondern auch die weitere Zellteilung und das Zellwachstum entscheiden darüber, wie groß die jeweiligen farbigen Regionen werden. Die Blumen können ihr Blütendesign demnach während des Wachstums anpassen und präzise kontrollieren.
Hummeln bevorzugen markante Hibiskus-Blüten
Doch welchen Vorteil haben die Blumen davon, ihre Blüten unterschiedlich gestalten zu können? Um das herauszufinden, testeten Riglet und ihre Kollegen in einem Folgeexperiment, welches dieser drei Hibiskus-Blütendesigns am meisten Insekten anzieht. Dafür zeigten sie Erdhummeln (Bombus terrestris), die im Hibiskus-Verbreitungsgebiet in Australien und Neuseeland vorkommen, entsprechende Blütenattrappen. Das Ergebnis: „Die Hummeln bevorzugten die mittleren und größeren Bullseyes gegenüber dem kleinen Bullseye. Zudem besuchten sie diese größeren Blütenscheiben um 25 Prozent schneller“, berichtet Riglet.
Das legt nahe, dass Insekten solche Blüten mit markanterem Muster schneller finden. Sie kommen so schneller zu ihrer Nahrung und bestäuben nebenbei mehr Pflanzen. „Das Nektar-Sammeln erfordert viel Energie. Wenn eine Hummel also vier statt drei Blüten in der gleichen Zeit besuchen kann, dann ist dies wahrscheinlich vorteilhaft für die Hummel und auch für die Pflanzen“, erklärt Riglet.
Wettbewerb um bestäubende Insekten
Indem Blumen unterschiedliche Blütenmuster ausbilden, könnten sie demnach möglicherweise einen evolutionären Vorteil im Wettbewerb um Bestäuber erlangen, so das Team. So könnten sie wie in dem Experiment die Aufmerksamkeit einer Art schneller auf sich lenken. Denkbar wäre aber auch, dass sie ihre Muster variieren, um verschiedene Insektenarten anzulocken, vermuten die Forschenden. Ob dies tatsächlich der Fall ist, müssen jedoch Folgestudien zeigen.
Zu den Beobachtungen passt jedoch, dass Hibiscus richardsonii – die untersuchte Art mit der kleinsten Blütenmitte – in ihrer Heimat Neuseeland als vom Aussterben bedroht gilt. Die aus Australien stammende Art Hibiscus trionum – mit der größeren Blütenmitte – kommt jedoch auch in Neuseeland zahlreich vor. Sie könnte ihre Verwandte dank ihres auffälligeren Blütenmusters verdrängt haben.
Offene Fragen
Das Team will nun untersuchen, ob neben Hibiskus auch andere Pflanzen solche zellulären Baupläne und „Malanleitungen“ in ihren Blüten aufweisen. Zudem wollen die Entwicklungsbiologen prüfen, ob diese Muster auch in anderen Pflanzenteilen wie Blättern vorkommen sowie welche Signalwege und Gene an der Entwicklung beteiligt sind. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adp5574)
Quellen: University of Cambridge, American Association for the Advancement of Science (AAAS)