Paläontologie

England: Drei Raubsaurier auf einen Streich

Fossile Zähne zeugen von Tyrannosauriern, Spinosauriern und Velociraptor-Verwandten

Raubdinosaurier
Im Südosten Englands wimmelte es offenbar einst vor Raubdinosauriern. © Anthony Hutchings

Räuber unter sich: Fossile Zähne verraten, welche Raubsaurier im England der frühen Kreidezeit vorkamen – und sorgen für Überraschungen. Denn neben kleinen Verwandten des Velociraptors gab es dort zeitgleich und am gleichen Ort auch mittelgroße Tyrannosaurier und große Spinosaurier, wie Paläontologen herausgefunden haben. Die gut 135 Millionen Jahre alten Spinosaurier-Zähne sind sogar der bisher älteste Nachweis dieser Sauriergruppe in Europa.

Raubdinosaurier wie der riesige Tyrannosaurus rex, der Spinosaurus aegyptiacus mit seinem markanten Rückensegel oder der clevere Velociraptor gehören zu den Ikonen der Dino-Ära. Doch zu welcher Zeit sich die verschiedenen Raubsaurier entwickelten und wo sie überall vorkamen, ist oft noch nicht geklärt. Ein besonders rätselhaftes Zeitfenster liegt zum Beispiel in der frühen Kreidezeit vor 139 bis etwa 134 Millionen Jahren. Aus dieser Zeit gibt es weltweit kaum aussagekräftige Fossilienfunde.

KI entschlüsselt Dino-Zähne

Paläontologen um Chris Barker von der University of Southampton könnten nun allerdings ein wenig Licht ins Dunkel gebracht haben, indem sie fünf Raubdinosaurierzähne aus dem fraglichen Zeitabschnitt analysiert haben. Die Fossilien sind zwar schon vor längerem in einem Steinbruch an der Südküste der Grafschaft East Sussex gefunden worden, ließen sich bislang jedoch nur schwer konkreten Spezies zuordnen.

„Die Zuordnung von isolierten Zähnen zu Theropodengruppen kann eine Herausforderung sein, zumal sich viele Merkmale unabhängig voneinander in verschiedenen Abstammungslinien entwickelt haben“, erklärt Koautorin Lucy Handford von der University of York. „Deshalb haben wir verschiedene Methoden angewandt, um unsere Ergebnisse zu verfeinern.“ Konkret setzte das Team dabei auf maschinelles Lernen und trainierte eine künstliche Intelligenz darauf, die Feinheiten im Aufbau der verschiedenen Zähne bekannten Gruppen von Raubdinosauriern zuzuordnen.

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Raubsaurier-Zähne
Diesen fünf Zähnen haben die Paläontologen nun endlich Besitzer zugeordnet: (A) gehörte wahrscheinlich einem Spinosaurier, (B) und (D) einem Tyrannosaurier und (C) und (E) einem Dromaeosaurier. © Barker et al (2024)

Raubdinosaurier aus drei Gruppen

Das Ergebnis: In der frühen Kreidezeit haben im Südosten Englands überraschend viele Raubdinosaurier miteinander koexistiert. „Unsere Ergebnisse deuten auf das Vorhandensein von Spinosauriern, mittelgroßen Tyrannosauriern und winzigen Dromaeosauriern – Velociraptor-ähnlichen Theropoden – in diesen Ablagerungen hin“, berichtet Barker.

Die Entdeckung der Tyrannosaurier war für das Team überraschend, da diese Gruppe bisher noch nicht in Sedimenten dieses Alters und dieser Region nachgewiesen wurde. Die Tyrannosaurier von East Sussex waren allerdings nur etwa ein Drittel so groß wie ihr berühmter Cousin Tyrannosaurus rex, wie die Analyse enthüllt. Sie jagten wahrscheinlich kleine Dinosaurier und andere Reptilien in ihrem Lebensraum in den Auen, wie Barker und seine Kollegen erklären.

Ältester Beleg für Spinosaurier in Europa

Auch das Vorhandensein von Spinosauriern im England dieser Zeit ist eine Besonderheit. Es markiert das älteste definitive Vorkommen dieser meist großen Raubsaurier in Europa und bestätigt ihre europäische Herkunft. Typisch für Spinosaurier sind der zweibeinige Gang, ein krokodilähnliches Maul und häufig auch Rückenstacheln. Zu welcher Gattung die frühkreidezeitlichen Spinosaurier aus Südengland gehörten, konnten die Paläontologen allein anhand der Zähne nicht ermitteln. Die Merkmale zeigen aber Abweichungen von denen so bekannter Spinosaurier wie Baryonix oder Suchosaurus, wie Barker und seine Kollegen erklären.

Trotz der noch offenen Fragen ist das Team begeistert von den gewonnenen Erkenntnissen: „Wir haben jahrzehntelang gehofft, herauszufinden, welche Theropodengruppen hier lebten, daher sind die Schlussfolgerungen unserer neuen Studie wirklich spannend“, sagt Koautor Darren Naish von der University of Southampton. Er und sein Team gehen davon aus, dass die Neubewertung von Theropodenzähnen mittels KI künftig auch in Museen weltweit zu neuen Entdeckungen führen könnte. (Papers in Palaeontology, 2024; doi: 10.1002/spp2.1604)

Quelle: University of Southampton

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