Mikrobiologie

Wie Bakterien symmetrische Muster bilden

Bakterienkolonien wachsen bei Platzmangel in konzentrischen Kreisen

Bild einer simulierten Bakterienkolonie, die ein Muster aus konzentrischen Kreisen bildet
Bakterienzellen wachsen und teilen sich. Je nachdem wie viel Platz sie dabei haben, geschieht dies unterschiedlich schnell. In Kolonien entstehen so konzentrische Kreise. © Weady et. al (2024); Lucy Reading-Ikkanda/Simons Foundation

Stressreaktion: Bakterienkolonien bilden manchmal spektakuläre geometrische Muster aus konzentrischen Kreisen. Wie diese entstehen, haben Biologen mithilfe von Computersimulationen aufgeklärt. Demnach bremsen die Bakterienzellen ihr Wachstum absichtlich, wenn sie zu wenig Platz und zu viele Nachbarn haben, um Spannungen und Stress zu reduzieren. Das Wissen um diese biophysikalischen Mechanismen könnte künftig helfen, die Ausbreitung von Krankheitserregern zu drosseln.

Normalerweise vermehren sich Zellen exponentiell: Eine Zelle wächst und teilt sich dann in zwei, aus diesen beiden Zellen werden vier, daraus wiederum acht. Dieses Schema der Zellproliferation wiederholt sich theoretisch unendlich – leider auch bei der Vermehrung von schädlichen Bakterien in unserem Körper. Doch in der Praxis stößt dieses Wachstum irgendwann an Grenzen – unter anderem, wenn der Platz knapp wird.

Bakterien aus mathematischer Sicht

Ein Team um Scott Weady vom Flatiron Institute in New York hat nun untersucht, wie Bakterien auf solche Wachstumsgrenzen reagieren. Dafür simulierten die Biologen mit Computermodellen das Verhalten von sich teilenden Bakterienkolonien unter verschiedenen räumlichen Bedingungen. Dabei analysierten sie, wie sich im Zuge der Vermehrung die Größe, Anordnung und Teilungsrate der Zellen verändert. Insbesondere verglichen sie die Zellteilung, wenn sehr wenige oder sehr viele Zellen vorhanden waren.

Mathematisch betrachtet handelt es sich dabei um Partikelsimulationen und ein Kontinuumsmodell. „Bei Partikelsimulationen hat man es mit etwas Diskretem zu tun – in diesem Fall mit Bakterien, die man im Laufe der Zeit verfolgt“, erklärt Weady. „Das Kontinuumsmodell funktioniert anders. Wenn die Anzahl der Teilchen sehr groß ist, kann man sie als kontinuierliches Material darstellen. Das hilft uns, den Zellteilungsprozess in größerem Maßstab besser zu untersuchen und zu verstehen, wie robust er ist.“

Druck der Nachbarzellen verlangsamt die Zellteilung

Die Simulationen ergaben, dass sich die Bakterienzellen nicht unendlich lange exponentiell teilen, sondern ab einem bestimmten Punkt langsamer wachsen. Je dichter ihre Umgebung bereits besiedelt ist und je mehr sie bedrängt werden, desto langsamer wird ihre Proliferationsrate, berichtet das Team. Durch diese Anpassung versuchen die Bakterien, Zellstress zu minimieren.

„Es beginnt mit einer einzelnen Zelle, die wenig oder gar keinen Stress empfindet. Dann teilt sie sich in zwei und diese Zellen teilen sich und so weiter. Die Zellen nahe dem Zentrum werden dabei immer gestresster, weil ihre Nachbarn mehr Druck auf sie ausüben. Das führt dazu, dass sie ihr Wachstum verlangsamen,” erklärt Weady. Ihre Zellen bleiben kleiner und teilen sich langsamer.

Infografik über die neuen Erkenntnisse zur Zellproliferation
Der Druck der Nachbarn lässt Bakterien in Kolonien in konzentrischen Kreisen wachsen. © Lucy Reading-Ikkanda/Simons Foundation

Spannung erschafft Symmetrie

Die Zellen, die am Rand der Kolonie wachsen, spüren hingegen weniger Druck und können sich schneller teilen und wachsen als ihre Nachbarn im Zentrum. „Zum Rand des Kreises hin gibt es verschiedene Abschnitte mit Zellen, die ungleichmäßige Spannung verspüren, was sich optisch als konzentrische Kreise manifestiert“, so Weady. Die Zellen einer Bakterienkolonie bilden demnach durch ihr unterschiedlich schnelles Wachstum und ihre verschiedene Zellgröße symmetrische Zonen aus.

Infolge der physikalischen Kräfte, die auf die vielen Einzelzellen wirken, bildet sich in der Kolonie ein geometrisches Muster. „Bakterien bilden diese konzentrischen Kreise, in denen jeder Ring anzeigt, wie sehr sie von ihren Nachbarn erstickt wurden, was sich letztendlich darauf auswirkt, wie groß sie werden können“, sagt Weady. Der Vergleich der Partikelsimulationen und des Kontinuumsmodells ergab zudem, dass diese Muster sowohl bei kleinen Kolonien mit wenigen Zellen als auch riesigen Kolonien auftreten. „Es ist ein robustes Muster, das auf einer sehr einfachen Regel beruht“, schließt Weady.

Mechanischer Stress als Hebel gegen Infektionen?

Die Simulationen offenbaren damit, dass mechanischer Stress ein Ansatzpunkt sein kann, um die Zellteilung von Bakterienkolonien zu manipulieren. Das könnte künftig in der Medizin genutzt werden, um das exponentielle Wachstum von Krankheitserregern während einer Infektion zu drosseln. Auch die Biotechnologie könnte den Druckstress als Hebel nutzen, um Mikroorganismen im Labor gezielt zu steuern.

Mit dem von Weady und seinen Kollegen entwickelten Computermodell könnte künftig zudem erforscht werden, wie Bakterien oder andere Zellen auf weitere Stressfaktoren wie Nährstoffmangel reagieren. Denn in der realen Welt ist Platzmangel nicht die einzige Begrenzung für das Zellwachstum. (Physical Review Letters, 2024; doi: 10.1103/PhysRevLett.133.158402)

Quelle: Simons Foundation

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