Gesang der Giganten: Wenn Bartenwale wie Buckel- oder Blauwal unter Wasser Laute erzeugen, dann tun sie das mit einem ungewöhnlich geformten Kehlkopf, wie Biologen herausgefunden haben. Demnach drücken die Wale damit Luft gegen ein großes Fettpolster, woraufhin dieses zu vibrieren beginnt und stark niederfrequente Töne erzeugt. Doch es gibt ein Problem: Der Frequenzbereich der Bartenwale überschneidet sich stark mit dem von Schiffen, weshalb ihre Rufe immer stärker untergehen, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.
Bartenwale wie Blau- und Buckelwal sind die größten Tiere, die jemals auf unserem Planeten gelebt haben. Mit ihren Hornplatten im Oberkiefer, den Barten, filtern sie große Mengen Krill und andere Nahrung aus dem Wasser. Um sich in den weiten, dunklen Ozeanen zu verständigen und sich gegenseitig zu finden, erzeugen die bis zu 33 Meter großen Meeressäuger eine umfangreiche Palette an Lauten, die von einem tiefen Brummen bis hin zu melodischem Gesang reicht. Doch wie gelingt den Walen ihr außergewöhnliches Unterwasser-Konzert?
So klingt der Gesang der Buckelwale. © Spyrogumas, gemeinfrei
Dem Gesang auf der Spur
Bislang ist die Lauterzeugung nur bei Zahnwalen wissenschaftlich geklärt. Demnach nutzen Pottwale, Orcas und Delfine spezielle Stimmlippen in der Nase für ihr typisches Klicken und Quietschen. Doch der Gesang der Bartenwale ist auch rund 50 Jahre nach der Entdeckung ihrer akustischen Fähigkeiten noch eine Black Box. Man vermutet zwar, dass er im riesigen Kehlkopf dieser Meeressäuger entsteht, den sie als Erbe ihrer landlebenden Vorfahren behalten haben. Doch wie genau die Töne darin zustande kommen, war ein Rätsel.
Forschende um Coen Elemans von der Universität Süddänemarks haben die Akte Walgesang nun nochmal aufgerollt und die Stimmapparate von drei gestrandeten Bartenwalen untersucht: den eines Seiwals, den eines Zwergwals und den eines Buckelwals. Um den Kehlkopf jeweils in Aktion erleben zu können, erstellte das Team auf Basis anatomischer Scans dreidimensionale Computermodelle. Das erlaubte Elemans und seinen Kollegen, die Muskelaktivität der Wale auch nach ihrem Tod zu simulieren und so mehr über ihre Lauterzeugung zu lernen.
Vibrierendes Fettpolster als Schlüssel
Das Ergebnis: Der Kehlkopf von Bartenwalen gleicht zwar im Kern immer noch dem von landlebenden Säugetieren wie uns Menschen, hat aber große Veränderungen hinsichtlich seiner Struktur durchlaufen, wie die Forschenden berichten. Das betrifft vor allem die sogenannten Stellknorpel – normalerweise winzige Strukturen, mit denen wir Menschen die Position unserer Stimmlippen verändern und somit den Klang unserer Laute variieren.
„Die Stellknorpel haben sich in große, lange Zylinder verwandelt, die an der Basis zu einer großen U-förmigen, starren Struktur verschmolzen sind, die sich fast über die gesamte Länge des Kehlkopfes erstreckt“, erklärt Elemans. „Wir haben herausgefunden, dass diese U-förmige Struktur gegen ein großes Fettpolster an der Innenseite des Kehlkopfs drückt. Wenn die Wale die Luft aus ihren Lungen an diesem Polster vorbeidrücken, beginnt es zu vibrieren, und das erzeugt sehr niederfrequente Unterwassergeräusche.“
Anders als bei Landsäugetieren sind es bei den Bartenwalen demnach nicht die vibrierenden Stimmlippen, die Töne erzeugen, sondern das Zusammenspiel aus Kehlkopf und Fettpolster.
Schiffslärm übertönt Gesang
Die Meeresbiologen konnten außerdem ermitteln, dass die Bartenwale normalerweise in einer eher tiefen Tonlage mit ihren Artgenossen kommunizieren. Ihre Laute erreichen eine maximale Frequenz von rund 300 Hertz. Zum Vergleich: Die menschliche Sprache liegt im Frequenzbereich zwischen 80 und 12.000 Hertz. Im Wasser verbreiten sich tiefe Töne allerdings besser als hohe.
Doch der begrenzte Frequenzbereich stellt die Wale vor ein Problem. Denn auch der Lärm, den Schiffe und andere menschliche Wasseraktivitäten erzeugen, liegt im Frequenzbereich der Wallaute. Der Gesang der Bartenwale geht daher vielerorts vor lauter Krach unter, was wahrscheinlich die Kommunikation der Tiere stört. „Wir brauchen strenge Vorschriften für diesen Lärm, denn diese Wale sind für ihre Kommunikation auf Schall angewiesen“, fordert Elemans. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07080-1)
Quelle: University of Southern Denmark