Wichtig oder unwichtig? Wie unser Gehirn alltägliche Reize in eine dieser beiden Kategorien einordnet, haben Forscher nun im Experiment mit Affen beobachtet. Demnach nutzt das Denkorgan bestimmte Frequenzkanäle aus, um Informationen schon während der Übertragung zwischen Hirnbereichen nach ihrer Wichtigkeit zu sortieren. Entscheidend ist dabei offenbar der genaue Zeitpunkt, an dem sich bestimmte Nervenzellen entladen.
Am Arbeitsplatz, im Straßenverkehr oder inmitten einer Menschenmenge – wir alle sind tagtäglich immer wieder Situationen ausgesetzt, in denen wir mit einer Vielzahl von Reizen konfrontiert werden. Trotzdem agieren wir in solchen Situationen zielgerichtet und sicher. Unser Arbeitsgedächtnis ist scheinbar mühelos dazu in der Lage, relevante Informationen herauszufiltern und Unwichtiges einfach nicht zu berücksichtigen.
Entscheidende Schwingungen
Doch wie gelingt dem Gehirn das? Dieser Frage sind nun Wissenschaftler um Andreas Nieder von der Universität Tübingen nachgegangen. Dafür trainierten sie Rhesusaffen darauf, sich die Anzahl bestimmter Objekte kurzfristig zu merken. Im Experiment wurden die tierischen Probanden gleichzeitig aber auch mit irrelevanten Informationen konfrontiert, die für die eigentliche Aufgabe keine Rolle spielten.
Was würde im Denkorgan passieren, wenn die Affen versuchten, die sprichwörtliche Spreu vom Weizen zu trennen? Hirnstrommessungen zeigten: Durch die gleichzeitige Entladung tausender von Nervenzellen entstanden großflächige oszillierende Schwankungen der elektrischen Aktivität im Gehirn. Als entscheidend erwiesen sich dabei Schwingungen im niedrigen Frequenzbereich, wie die Forscher berichten: sogenannte Theta-Wellen von vier bis zehn Schwingungen pro Sekunde.
Sortierung nach wichtig und unwichtig
„Wir konnten beobachten, dass sowohl die relevante als auch die störende Information in diesem Theta-Frequenzbereich übertragen wurde“, sagt Nieder. „Allerdings entluden sich die Nervenzellen, die für die relevanten Informationen zuständig waren, immer wenn die Theta-Schwingung auf dem Tiefpunkt war. Dagegen feuerten die Nervenzellen, die für den störenden Reiz zuständig waren, immer zu dem Zeitpunkt, an dem die Theta-Schwingung auf dem Höhepunkt war.“
Er und seine Kollegen glauben deshalb, dass das Gehirn bestimmte Frequenzkanäle im Gehirn ausnutzt, um Informationen zwar synchron zu übertragen – zugleich aber die Fülle dieser Informationen schon während der Übertragung zwischen Hirnarealen nach wichtig und unwichtig zu sortieren.
Nutzen für die Medizin?
„Unsere Ergebnisse belegen, dass kognitive Gehirnfunktionen ein präzises Zusammenspiel von Nervenzellen erfordern. Es liegt nahe, die im Tiermodell erforschten Mechanismen nun für therapeutische Zwecke bei Patienten mit Gedächtnisstörungen zu nutzen“, sagt Erstautor Simon Jacob von der Technischen Universität München.
Wie er betont, werden aber weitere Studien nötig sein, um zu zeigen, ob die Ergebnisse der Studie als generelles Organisationsprinzip dafür gelten können, wie das Gehirn kognitive Information über weit getrennte Hirnareale hinweg verarbeitet. (Neuron, 2018)
(Eberhard Karls Universität Tübingen, 09.08.2018 – DAL)