Klappe zu, Insekt tot: Die fleischfressende Venusfliegenfalle fängt ihre Beutetiere, indem sie ihre Fangblätter zuklappt, sobald das Insekt die Sinneshaare am Blattrand berührt.. Die dafür verantwortlichen Gene haben Forscher nun erstmals identifiziert und so den ersten an der Reizumwandlung beteiligten Ionenkanal aufgespürt. Das liefert wertvolle Hinweise auf die Funktionsweise dieser pflanzlichen Sinneshaare.
Pflanzen, die auf nährstoffarmen Böden wachsen, haben eine besondere Überlebensstrategie entwickelt: Sie fangen sich als zusätzliche Nahrung Insekten. Die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula) lockt dazu ihre Opfer mit ihren duftende Drüsenhaaren in ihre zwei zu Fangtellern umgebildeten Blätter. Sobald ein Insekt die hoch empfindlichen Sinneshaare an den Blättern berührt, dehnen sich die Zellen an der Basis der Haare, so dass sich Ionenkanäle öffnen und ein Aktionspotenzial entsteht. Der obere Teil des Sinneshaares wirkt dabei als verstärkender Hebel.
Über diese Berührungssensoren breitet sich das Signal über die ganze Klappfalle aus. Nach zwei Aktionspotentialen schnappt die Falle zu – so schnell wie keine andere Bewegung im Pflanzenreich. Anhand der Zahl der elektrischen Signale, die das Beutetier bei seinen Befreiungsversuchen auslöst, schätzt die fleischfressende Pflanze, die Größe ihres Opfers ab und beginnt, die passende Menge Verdauungssekret zu bilden.
Welche Gene sind dafür verantwortlich?
Obwohl dieser Fangmechanismus bereits bekannt ist, waren die dafür verantwortlichen Mechano-Rezeptoren an den Sinneshaaren der Venusfliegenfalle bisher kaum erforscht. Die molekularen Grundlagen dahinter haben nun Wissenschaftler um Anda Iosip von der Universität Würzburg näher untersucht.
Dafür isolierten sie etwa 1.000 einzelne Sinneshaare von adulten Venusfliegenfallen. Mithilfe der DNA-Sequenzierung analysierten sie die Gene in den Zellen und verglichen ihre Aktivität mit dem des Erbguts in den anderen Organen der Pflanze – der Blüte, den Wurzeln, der Falle, dem Blattrand, der Drüse und dem Blattstiel. So identifizierten sie die Gene, die nur in den Sinneshaaren aktiv waren.
Erstmals Gene für Reizumwandlung gefunden
Das Ergebnis: Tatsächlich unterschied sich die Genaktivität in den Sinneshaarzellen deutlich von der in anderen untersuchten Organen. „Uns fiel auf, dass sich der Fingerabdruck der im Haar tätigen Gene von dem der anderen Zelltypen der Falle unterscheidet“, ergänzt Iosips Kollege Jörg Schultz. Unter anderem zeigte sich, dass in den Sinneshaaren weit mehr Gene hochaktiv waren als in den anderen Pflanzenorganen.
„Schließlich identifizierten wir 495 Gene, die als echte Sinneshaar-spezifische Gene klassifiziert werden können“, erklären die Forscher. Sie schließen daraus, , dass es sich dabei unter anderem um Gene handeln muss, die an der Umwandlung der mechanischen Reize am Sinneshaar in ein elektrisches Signal beteiligt sind.
Spezifische Ionenkanäle an Haarbasis identifiziert
Um das zu prüfen, untersuchten Iosip und ihre Kollegen, wofür die spezifischen Gene codieren: „An der Spitze der Liste der sinneshaarspezifischen Gene fanden wir viele elektrogene Ionenkanäle“, erklären die Forscher. Solche Öffnungen in der Zellmembran spielen bei vielen Reizleitungsprozessen eine wichtige Rolle – sowohl im Tierreich wie bei den Pflanzen. Die vier am häufigsten an den Sinneshaaren der Venusfliegenfalle vorkommenden Ionenkanäle untersuchten die Forscher daher auf ihre Lage und mögliche Funktion hin
Und tatsächlich: Diese Kanäle fanden sich fast ausschließlich an der Basis der Sinneshaare, was nahelegt, dass diese Kanäle an der Reizumwandlung der Haare beteiligt sind. Elektrophysiologische Analysen ergaben, dass vor allem der spezifische Kaliumkanal KDM1 für die Erregbarkeit der Sinneshaare entscheidend ist: Wird dieser Kanal blockiert, können die Sinneshaare nicht mehr erregt werden und keine Aktionspotentiale mehr feuern.
Der Grund: Laut der Forscher lässt der Kaliumkanal auf dem Höhepunkt des Aktionspotenzials Kaliumionen passieren. Dadurch stellt sich die typische Ionenverteilung an der Membran nach einer Erregung wieder her und bereitet die Zelle für einen weiteren Reiz vor. „Jetzt gilt es, die Ionenkanäle zu identifizieren und zu charakterisieren, die in den frühen Phasen des Aktionspotentials eine wichtige Rolle spielen“, so Iosips Kollege Rainer Hedrich abschließend. (PLOS Biology, 2020, doi: 10.1371/journal.pbio.3000964)
Quelle: Julius-Maximilian-Universität Würzburg