Erfolgreiche Invasion: Der humanpathogene Pilz Candida albicans nutzt unsere Immunzellen, um sein eigenes Wachstum anzukurbeln. Denn die Abwehrzellen schütten bei Infektion kleine RNA-Schnipsel aus, die artübergreifend wirken und in den Pilzzellen eine erhöhte Zellteilung induzieren. Diese Erkenntnis könnte auch neue Ansätze für die Therapie von Pilzinfektionen bieten, wie das Forschungsteam in der Fachzeitschrift „mBio“ berichtet.
Der Pilz Candida albicans findet sich bei drei Vierteln der Menschen auf der Haut, ohne dabei Probleme zu verursachen. Doch bei immungeschwächten Menschen kann der Hefepilz in die Blutbahn eindringen und lebensbedrohliche Infektionen auslösen.
„Als Reaktion auf solche Infektionen schütten menschliche Immunzellen extrazelluläre Vesikel aus, die einen Cocktail aus Proteinen und Nukleinsäuren enthalten, um die Immunantwort zu koordinieren“, erklärt das Forschungsteam um Luke Halder vom Leibniz-Institut für Infektionsbiologie in Jena. „Dazu gehören die microRNAs (miRNAs).“ Doch welche Rolle diese regulatorischen RNA-Schnipsel bei einer Pilzinfektion spielen, war bisher unbekannt.
Wachstum von Candida albicans beschleunigt
Um einen besseren Einblick in die Auswirkungen der miRNA zu erhalten, infizierten die Forschenden menschliches Blut im Labor mit Candida albicans. Sie färbten die daraufhin entstehenden extrazellulären Vesikel mit verschiedenen Markern an und beobachteten das Pilzwachstum. Es zeigte sich: In Anwesenheit von menschlicher miRNA ist das Wachstum von Candida albicans deutlich beschleunigt. Zudem bilden die fädigen Hyphen dieses Pilzes 2,5-fach mehr Verzweigungen.
Aber warum? „Die Experimente bestätigen, dass menschliche miRNA von Candida albicans aufgenommen wurde, wo sie das Potenzial hat, die Genexpression zu regulieren“, sagen Halder und seine Kollegen. Micro-RNA ist dafür bekannt, dass sie das Ablesen der Gene in menschlichen Zellen beeinflussen kann. Dafür bindet sie an die Boten-RNA mit der Bauanleitung des Gens und verhindert dadurch ihre „Übersetzung“ in ein Protein.
RNA-Schnipsel wirken über Artgrenzen hinweg
Beim Menschen ist bekannt, dass bestimmte miRNAs die Zellteilung anregen und damit das Gewebewachstum fördern können. Dafür blockieren die RNA-Schnipsel die Produktion eines Hemmstoffs, der ein für die Zellteilung wichtiges Enzym hemmt. „Daher nahmen wir an, dass die miRNA das auch in Candida albicans tut und somit das Pilzwachstum beschleunigt“, erklären die Forschenden.
Tatsächlich bestätigten nähere Analysen dies: Die menschliche miRNA schaltet auch in den Pilzzellen die Produktion des Hemmstoffs aus. Die RNA-Schnipsel wirken demnach artübergreifend – nicht nur in menschlichen Zellen, sondern auch beim Hefepilz. Dadurch kann das Kinase-Enzym in den Pilzzellen ungehindert arbeiten und somit wird das Zellwachstum beschleunigt.
Pilzzellen kurbeln miRNA-Produktion an
Die Forschenden beobachteten zudem, dass die Abwehrzellen als Folge der Pilzinfektion vermehrt Bläschen mit den wachstumsfördernden RNA-Schnipseln freisetzten. Infizierte Monozyten produzierten sogar zehnfach mehr solcher miRNA-enthaltenden Vesikel als nicht-infizierte Zellen.
Doch wie schafft es der Pilz über Artgrenzen hinweg diese Reaktion auszulösen? „Wir fanden heraus, dass Candida albicans die Moleküle ß-Glucan und Mannan freisetzt, welche dann an die Rezeptoren der menschlichen Monozyten binden und die Ausschüttung von miRNA-transportierenden Vesikeln bewirken“, erläutern Halder und sein Team.
„Wir haben uns auch gefragt, wie die miRNA in die Pilzzellen hineingelangt“, sagen Halder und seine Kollegen. Sie fanden heraus, dass die Vesikel in der Lage sind, sich an die Oberfläche der Pilzzellen zu heften. Anschließend setzen sie die RNA-Schnipsel in die Pilzzellen frei. Über die Hyphen kann sich diese Micro-RNA dann im gesamten Pilzorganismus verbreiten.
Nächster Schritt für Therapie gegen Pilzinfektionen
„Dass der Pilz unsere Immunantwort so spezifisch ausnutzt, ist schon erstaunlich“, sagt Seniorautorin Christine Skerka. Die Erkenntnisse aus der Studie könnten in Zukunft die RNA-Therapie von Pilzinfektionen voranbringen, indem die entsprechenden miRNAs gezielt unterdrückt werden. Dafür ist allerdings noch weitere Forschung nötig. (mBio, 2022; doi 10.1128/mbio.03563-21)
Quelle: Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie Jena