Zoologie

Wie Enten die Welt sehen

Form des Sehfeldes richtet sich nach der Art der Nahrungsbeschaffung

Stockente
Wie Enten, Gänse und Schwäne die Welt sehen, hängt davon ab, wie sie nach Nahrung suchen. © Susanne Friedrich/ Getty Images

Die Perspektive macht‘s: Enten, Schwäne und Gänse haben einen überraschend unterschiedlichen Blick auf die Welt, wie Forschende nun herausgefunden haben. Demnach ist die Form und Größe ihres Sehfeldes davon abhängig, wie sie ihre Nahrung beschaffen. So können zum Beispiel Stockenten, die bei der Nahrungssuche mit dem Kopf unter Wasser tauchen, nur in einem schmalen Bereich scharf sehen, dafür aber parallel den kompletten Himmel nach Greifvögeln absuchen.

Der Ausschnitt, den wir tagtäglich von der Welt sehen, hängt maßgeblich von der Größe und Position unserer Augen ab und davon, wie stark ihre Sehfelder überlappen. Bei uns Menschen decken beide Augen zusammen einen horizontalen 220-Grad-Winkel ab. Auf 120 Grad davon überschneiden sich die Sehfelder beider Augen. Nur in diesem sogenannten binokularen Gesichtsfeld sehen wir dreidimensional und scharf.

Der Sehsinn von Tieren unterscheidet sich dagegen in vieler Hinsicht von unserem – im Sehtempo, im Farbensehen, aber auch im Sehfeld. So gibt es Tiere, die noch stärker rundum sehen können als wir oder etwa einen ausgeprägten Tunnelblick haben. Welche Konstellation jeweils nützlich ist, hängt vor allem mit der jeweiligen Ernährung und der Gefahr durch Raubtiere zusammen. So können zum Beispiel Pferde über die Schulter schauen, ohne dabei den Kopf zu drehen, und dadurch frühzeitig Fressfeinde erspähen.

Vögel beim Augenarzt

Forschende um Jennifer Cantlay von der Royal Holloway University of London haben nun erstmals untersucht, wie verschiedene Wasservögel die Welt sehen und wie die unterschiedlichen Sehvarianten mit dem Fressverhalten der Tiere zusammenhängen. Dafür haben sie zunächst das Gesichtsfeld von insgesamt 39 Arten – darunter 31 Enten, sieben Gänsen und einem Schwan – mit einem Ophthalmoskop ausgemessen, einem Gerät, das auch Augenärzte verwenden.

Um die Messungen miteinander vergleichen zu können, haben Cantlay und ihre Kollegen drei spezielle Werte erhoben: die Breite und Höhe des binokularen Gesichtsfeldes sowie die Position der Schnabelspitze innerhalb dieses Feldes. Anschließend glichen die Forschenden diese Daten mit der typischen Ernährung der verschiedenen Wasservögel ab und konnten so Zusammenhänge zwischen Seh- und Fressweise aufdecken.

Sehfeld Enten
Das binokulare Gesichtsfeld ist bei den Saumschnabelenten (oben) deutlich größer als bei den Rosenohrenten. Erstere sind bei der Nahrungssuche stärker auf ihre Augen angewiesen. © Cantley et al./ PNAS /CC-by 4.0

Stockenten punkten in der Vertikalen

Das Ergebnis: Obwohl alle untersuchten Vögel zu einer Verwandtschaftsgruppe gehören und in Gewässernähe leben, unterschied sich die Form ihrer Gesichtsfelder deutlich, wie Cantlay und ihr Team berichten. Unter anderem reichte die Breite des binokularen Gesichtsfeldes von 16 Grad bei Schneegänsen bis 38 Grad bei Eisenten. Wie das Gesichtsfeld eines Vogels im Einzelnen aussah, hing dabei direkt mit der Art und Weise zusammen, wie er normalerweise an Nahrung gelangt.

So fanden die Forschenden unter anderem heraus, dass Wasservögel, die auf der Suche nach Nahrung nur ihren Kopf ins Wasser tunken, nicht aber komplett abtauchen, die schmalsten binokularen Gesichtsfelder haben. Das der Stockente ist zum Beispiel nur 19,6 Grad breit. Sie sieht also lediglich einen kleinen Abschnitt scharf und dreidimensional. Das ist für ihren Lebensstil aber auch völlig ausreichend, wie Cantlay und ihre Kollegen erklären. Denn die Stockente und andere Arten verlassen sich bei der Nahrungssuche ohnehin vor allem auf den Tastsinn in ihrer Schnabelspitze und nicht auf ihre Augen.

Diese Fressweise bringt ihnen sogar einen weiteren großen Vorteil: „Ihre geringere Abhängigkeit vom binokularen Feld bei der Nahrungssuche kann gegen eine erhöhte Fähigkeit zur Erkennung von Raubtieren eingetauscht werden“, erklären die Forschenden. Dementsprechend sind etwa die Augen von Stock- und Löffelente so positioniert, dass sie vertikal in einem 210-Grad-Winkel sehen und dadurch stets Greifvögel am Himmel im Blick behalten können.

Taucher und Weidegänger sehen anders

Bei Wasservögeln wie dem Zwergsäger, die aktiv nach Fischen oder Larven tauchen, ist das Gesichtsfeld hingegen genau andersherum angeordnet, wie Cantlay und ihr Team ermittelt haben. Sie besitzen mit 35 Grad die breitesten binokularen Gesichtsfelder, haben dafür aber Defizite in der Vertikalen. So können sie zwar präzise bewegliche Nahrung in der Wassersäule erbeuten, haben dafür aber Raubtiere nicht so gut im Blick wie Stock- und Löffelente.

Weidende Vögel wie Gänse und Schwäne sind wiederum weder in der Horizontalen noch in der Vertikalen gut aufgestellt. In beiden Kategorien erzielen sie nur geringe Winkelwerte. Diese Anpassung könnte ihnen laut Forschenden allerdings dabei helfen, besonders nährstoffreiche Pflanzen aufzuspüren. Denn die Weidevögel sehen dadurch vor allem Objekte rund um ihre Schnabelspitze scharf. (Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, 2023; doi: 10.1098/rspb.2023.1213

Quelle: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences

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