Wiederentdeckt: Die Zitterpappel ist ein lange vernachlässigter, aber enorm anpassungsfähiger Waldbaum. Diese “vergessenen Wälder” haben daher ein enormes Potenzial, wie Forstwissenschaftler berichten. Denn die genügsame Baumart könnte die Artenvielfalt sowie die Klimaresistenz der europäischen Wälder deutlich verbessern. Die Zitterpappel könnte damit ein Schlüssel für einen gesunden Wald sein. Was muss die Forstwirtschaft dafür tun?
Die Europäische Zitterpappel (Populus tremula), auch Eurasische Espe genannt, ist eine von sechs Espenarten der Gattung Populus, die in einem Großteil Europas und Asiens verbreitet ist. Die eng mit ihr verwandte Amerikanische Zitterpappel (Populus tremuloides) ist der am weitesten verbreitete Baum in Nordamerika. Dennoch wurden diese Baumarten in der Forschung lange vernachlässigt und bei der forstwirtschaftlichen Planung übersehen.
Pappelwälder sind Hotspots der Biodiversität
Ein verschenktes Potenzial. Denn dort, wo diese Baumarten wachsen, haben die Wälder eine besonders große Artenvielfalt. „Die Eurasische Espe und Pappelarten weltweit beherbergen riesige Populationen anderer von ihnen abhängiger Pflanzen und Tiere“, erklärt Antonín Kusbach von der Mendel-Universität im tschechischen Brünn. Zudem gilt die Zitterpappel als Pionierbaumart, die eine Fläche für weitere Baumarten besiedelbar macht.
Darüber hinaus gelten Espenwälder als flexibel und anpassungsfähig. „Mit Pappeln assoziierte Systeme regenerieren sich schnell und besiedeln neue Gebiete. Dadurch sind diese Wälder ideal an vermehrte Waldstörungen wie Brände, Krankheiten, Insektenbefall und Stürme angepasst, die im Rahmen des Klimawandels weithin erwartet werden“, so Kusbach. Espen ermöglichen daher auch bei Klimaänderungen eine erhöhte Artenvielfalt in Wäldern. Zudem sind sie resistent gegen Luftverschmutzung.
Wie viele Zitterpappeln wachsen in Mitteleuropa?
Angesichts des klimabedingt starken Rückgangs der Gemeinen Fichte (Picea abies) und der Waldkiefer (Pinus sylvestris) in Europa suchen Forstmanager derzeit nach neuen Möglichkeiten, die europäischen Wälder nachhaltig wieder aufzuforsten. Robuste Generalisten wie die Birke, Erle oder Eberesche, aber auch die Pappel könnten hier hilfreich sein. Aber wie viele Zitterpappeln gibt es in Europa eigentlich? Wie hat sich diese Baumart hier in der Vergangenheit ausgebreitet und wo könnte sie künftig wachsen?
Um das herauszufinden, untersuchten die Forstwissenschaftler um Kusbach mehr als 4,6 Millionen Waldstandorte in Tschechien. Die dortigen Wälder gelten als typisch für ganz Mitteleuropa. Dabei verwendeten die Forschenden Feldmessungen, Fernerkundungstechnologie und moderne Analysetechniken, um über Dicke und Höhe der Bäume ihr Alter zu bestimmen. Zudem analysierten sie, wie dicht die Zitterpappeln beieinander stehen und wie das Mikroklima an den verschiedenen Standorten ist.
Umkehr des Pappel-Rückgangs ist möglich
Dabei zeigte sich, dass Pappelwälder heute nur 0,28 Prozent der gesamten tschechischen Waldfläche ausmachen. In diesen Regionen waren Espen bis in die 1800er Jahre noch weitaus weiter verbreitet, wie Berechnungen zeigten. Die kommerzielle Forstwirtschaft, die monotypische Bestände an Nadelbaumarten bevorzugt, hat diese Lebensräume seither verändert und die Zitterpappel verdrängt, schreibt das Team. Doch das muss nicht so bleiben. „Eine Kurskorrektur in der europäischen Waldbewirtschaftung könnte dazu beitragen, diese erstaunlichen Wälder wiederherzustellen“, sagt Koautor Paul Rogers von der Western Aspen Alliance und der Utah State University.
Genug Lebensraum wäre dafür vorhanden: Zig Millionen Hektar potenzielle Flächen für Espenwälder in ganz Europa stehen zur Verfügung, wie die Forschenden berichten. Selbst wenn sich die Erde weiter erwärmt, werden die Zitterpappeln dort noch gedeihen. Denn die Generalisten wachsen beinahe überall – sowohl auf trockenem als auch nassem Terrain, mit wenig und viel Niederschlag sowie bei unterschiedlichen Durchschnittstemperaturen, wie die Analysen zeigten. „Das zeigt das große Potenzial, das die Espe hat, um auch in ganz Europa zu gedeihen“, sagt Rogers. „Auf jedem Hektar Espenwald, der zurückkehrt, gedeiht dann die Pflanzen- und Tiervielfalt.“
Wie gelingt die Rückkehr der Zitterpappel?
Für die Wiederansiedlung von Zitterpappeln bräuchte es voraussichtlich nur einen „Anstoß“, um den Prozess in Gang zu bringen. „Feldbeobachtungen deuten darauf hin, dass Espen nach einer großflächigen Entfernung der Fichte nach Borkenkäferbefall auf natürliche Weise ihren Weg in die mitteleuropäischen Wälder gefunden haben“, sagt Kusbach. „Man könnte sich also vorstellen, dass dies eine Lösung ist, die sich vor aller Augen versteckt hat.“
Um die Artenvielfalt in den europäischen Wäldern zu fördern, müsste man demnach abgestorbene oder kranke Fichtenwälder roden, um den Zitterpappeln dort freien Lebensraum zu gewähren. (PLoS ONE, 2024; doi: 10.1371/journal.pone.0301109)
Quelle: Utah State University