Für ihre Messungen befestigten die Forschenden kleine Herzfrequenzsensoren mit einem Gewicht von 0,8 Gramm an den Tieren. Diese senden ein Signal des Herzschlags an einen Radioempfänger. Dies funktioniert jedoch nur, wenn sich der Empfänger in einer Entfernung von wenigen hundert Metern von den Fledermäusen befindet.
„Tagsüber war es kein Problem, die Herzschläge ohne große Unterbrechungen aufzunehmen, da sich die Fledermäuse dann in Baumhöhlen oder Fledermauskästen aufhalten“, sagt Keicher. Während die Fledermäuse auf nächtliche Nahrungssuche gingen, begleiteten Keicher und ihre Kollegen hingegen einzelne Tiere in einem Flugzeug, um die Signale aufnehmen zu können.
Höherer Energiebedarf im Sommer
Die Aufzeichnungen der Herzschläge ergaben, dass sich Fledermäuse ihre Energie je nach Jahreszeit anders einteilen. Männliche Große Abendsegler verbrauchen demnach im Sommer mit durchschnittlich 45,65 Kilojoule pro Tag bis zu 42 Prozent mehr Energie als im Frühjahr (32,17 Kilojoule pro Tag). Zudem weisen sie im Sommer mit durchschnittlich 252 Schlägen pro Minute dreimal höhere Herzfrequenzen auf als im Frühjahr, in dem ihr Herz im Schnitt nur 74 Schläge pro Minute absolviert.
Einer der Hauptgründe dafür: „In den wärmeren Monaten, wenn es reichlich Nahrung gibt, bleiben die Männchen tagsüber wach und investieren Energie in die Spermaproduktion, um im Herbst für die Paarung bereit zu sein“, erklärt Keicher. Das zeigte sich auch an den stark vergrößerten Hoden der Tiere im Sommer. Um die tagsüber verbrauchte Energie wieder aufzufüllen, jagen die Männchen im Sommer rund 105 Minuten pro Nacht – fast doppelt so lange wie im Frühjahr, wie die Biologen berichten. Dabei fressen sie in einer Nacht Insekten entsprechend des Energiegehalts von bis zu 33 Maikäfer oder über 2.500 Mücken.
Energiesparmodus im Frühjahr
Im Frühjahr decken die Fledermäuse ihren Energiebedarf hingegen anders als im Sommer: Sie gehen tagsüber in eine Art Kurzwinterschlaf, dem sogenannten „Torpor“. In diesem Energiespar-Zustand senken die Fledermäuse ihren Herzschlag auf bis zu sechs Schläge pro Minute herab, wie das Team feststellte. Parallel fahren sie ihren Stoffwechsel und ihre Körpertemperatur herunter. Dadurch senken sie auch ihren Energie- und Nahrungsbedarf. Durchschnittlich 84 Prozent der Tageszeit verbrachten die Fledermäuse im Frühjahr in diesem Zustand, bei durchschnittlich 26 Herzschlägen pro Minute.
Wenn die Tiere dann auf nächtliche Jagd gehen, ändern sie ihren Herzschlag rapide: „Wir konnten beobachten, dass Fledermäuse im Frühjahr beim Aufwachen ihren Herzschlag innerhalb von wenigen Minuten auf Hochgeschwindigkeiten von bis zu 900 Schläge pro Minute bringen können“, berichtet Keicher. „Für unsere Ohren klang es wie ein einziger hoher Ton.“ Im Schnitt lag der Herzschlag der Tiere während des nächtlichen Flugs – sowohl im Sommer als auch im Frühjahr – bei rund 730 Schlägen pro Minute.
Zum Vergleich: Das menschliche Herz schlägt im Schnitt 70-mal in der Minute, das Herz einer Ratte in der gleichen Zeitspanne rund 300-mal und das eines Blauwals rund 30-mal.
Diese Herzfrequenzen von Großen Abendsegler-Fledermäusen haben Forschende mit Herzfrequenz-Funksendern in Konstanz aufgezeichnet. © Lara Keicher/Christian Ziegler/Karan Safi
Grundlage für Schutzmaßnahmen
„Sieben Stunden Torpor erfordern die gleiche Energiemenge wie zehn Minuten Flug“, schreiben die Forschenden. Die Studie zeigt somit, dass Fledermäuse im Frühjahr eine höchst effektive Energiesparstrategie anwenden, im Sommer dagegen mehr jagen, um zu überleben.
Dieses Wissen um den Energiebedarf der Tiere könnte künftig bessere Vorhersagen darüber ermöglichen, wie sich das verändernde Klima auf das Leben der Fledermäuse auswirken wird. Mit dem Klimawandel nehmen beispielsweise extreme Temperaturschwankungen zu und das Nahrungsangebot für Fledermäuse verändert sich.
„Alle Fledermausarten sind in Deutschland geschützt und einige sind vom Aussterben bedroht. Grundlagenforschung, die das Verhalten der Tiere und ihre Anpassungen an die Umwelt untersucht, kann uns helfen, Schutzmaßnahmen zu entwickeln, damit beispielsweise Große Abendsegler auch weiterhin am Konstanzer Nachthimmel zu sehen sein werden“, sagt Seniorautorin Dina Dechmann vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie.
Weibchen ziehen im Sommer weg
Weibliche Fledermäuse wurden in der Studie nicht untersucht. Diese ziehen im Frühjahr in nördlichere Gebiete mit mehr Nahrungsangebot, bringen dort Jungtiere zur Welt und ziehen sie im Laufe des Sommers groß, wie aus anderen Studien hervorgeht. Ihr Energiebedarf und ihre Taktiken zur Energiegewinnung oder -einsparung könnten sich daher von denen ihrer männlichen Artgenossen unterscheiden. Beide Geschlechter haben während des Sommers jedoch einen erhöhten Energiebedarf. (Proceedings of the Royal Society B – Biological Sciences, 2024; doi: 10.1098/rspb.2024.0855)
Quelle: Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie
15. Juli 2024
- Claudia Krapp