Gegen die Schwerkraft: Wissenschaftler haben erstmals ermittelt, wie viel Energie ein Baum aufwenden muss, um Wasser von seinen Wurzeln in die Krone zu transportieren – gegen die Schwerkraft und die Reibung in seinem Leitungssystem. Das Ergebnis: Auf die Fläche gerechnet benötigt ein Baum 0,06 Watt pro Quadratmeter, alle Bäume zusammen bringen für ihren Wassertransport 9,4 Billionen Kilowattstunden pro Jahr auf – etwa genauso viel wie unsere weltweite Stromerzeugung durch Wasserkraft.
Weltweit gibt es mehr als drei Billionen Bäume – das sind rund 422 Bäume pro Mensch. Ihre Photosynthese ist der Haupt-Sauerstofflieferant für die die irdische Lebenswelt und ein wichtiger Puffer im Klimasystem. Durch die Wasserverdunstung über die Blätter entfalten die Bäume zudem eine messbare Kühlwirkung. Große Regenwälder wie am Amazonas erzeugen sogar ihr eigenes lokales Klima – sie versorgen sich gewissermaßen selbst mit Regen.
Verdunstung und Photosynthese erzeugen die Sogkraft
Doch damit ein Baum all dies bewerkstelligen kann, muss er zunächst enorme Arbeit leisten: Er muss das von seinem Blättern benötigte Wasser aus dem Boden bis in die Baumkrone transportieren. Dabei muss er sowohl die Schwerkraft als auch den Reibungswiderstand in seinem Leitungssystem überwinden. Während unser Blutkreislauf von einer eigenen Pumpe, dem Herzen, angetrieben wird, geschieht der Wassertransport im Baum rein passiv: Der durch die Verdunstung in der Krone erzeugte Sog zieht das Wasser in die Höhe.
Dennoch verbraucht dieser Transport Energie. Geliefert wird diese letztlich von der Sonne: Ihre Wärme und Strahlung fördert die Verdunstung von Wasser über Blätter, aber auch die Umsetzung von Wasser im Zuge der Photosynthese. „Wenn die Pflanzen diese Energie allein durch ihren eigenen Stoffwechsel aufbringen müssten, könnten sie dies nicht leisten“, erklären Gregory Quetin von der University of California in Santa Barbara und seine Kollegen.
Doch wie viel Energie ist für den Wassertransport in einem Baum nötig? Das haben nun Quetin und sein Team nun erstmals genauer ausgerechnet. Dafür werteten sie Messdaten zum Saftaufstieg und dem Leitungssystem der Bäume aus und kombinierten dies mit biophysikalischen Modellen und Satellitendaten zur Waldbedeckung.
Global 9,4 Petawattstunden pro Jahr
Das Ergebnis: Bäume in den globalen Waldökosystemen bringen 0,06 Watt pro Quadratmeter an Energie auf, um ihre Wasser von den Wurzeln in die Kronen zu transportieren. Das klingt wenig, entspricht aber 14,2 Prozent der Energie, die ein Baum für die Zuckerproduktion in seiner Photosynthese aufbringen muss. Diese im Gegensatz zur Photosynthese passive Arbeit ist um so größer, je mehr Wasser für die Photosynthese benötigt wird und je wärmer und feuchter die Umgebung ist – weil dann die Transpiration und Wasserverfügbarkeit ansteigt.
Insgesamt addiert sich dies zu einer enormen Summe: „Global benötigen alle Waldökosysteme zusammen 9,4 Petawattstunden pro Jahr für den Saftaufstieg – das ist so viel wie die gesamte anthropogene Stromproduktion aus Wasserkraft“, berichten die Forscher. Dies entspricht 9,4 Billionen Kilowattstunden. Den größten Teil dieser Arbeit leisten die Bäume in den Regenwäldern der Tropen, bei ihnen entspricht der Wassertransport 18 Prozent der Energie der Photosynthese.
Leitungswiderstand ist das größte Hindernis
Überraschend auch: Die Überwindung der Schwerkraft macht beim Aufwärtstransport des Wassers im Baum nur einen kleinen Teil der benötigten Energie aus, wie das Team ermittelte. Stattdessen wird die meiste Arbeit dafür benötigt, den Widerstand im Leitungssystem des Baums zu überwinden. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede zwischen verschiedenen Baumarten: „Ein an die Trockenheit angepasster Wacholderbaum hat einen hohen inneren Widerstand, während eine in einer Flussaue wachsende Schwarzpappel eine gigantische Wasserpumpe ist“, erklärt Quetins Kollege Leander Andregg.
Daher ist auch die Schätzung der global für den Saftaufstieg in Bäumen benötigten Energie mit großer Unsicherheit behaftet: Sie könnte zwischen 7,4 und 15,5 Petawattstunden liegen. „Diese Unsicherheit unterstreicht, wie wenig wir noch über die Biogeografie des Pflanzenwiderstands und – in geringerem Maße – die Transpiration wissen“, so Quetin. „Allein die Tatsache, dass ein globaler Energiestrom dieser Größenordnung bisher nie quantifiziert wurde, ist schon erstaunlich. Es scheint, als wenn dies bisher einfach durch alle Raster gefallen ist.“ (Journal of Geophysical Research Biogeosciences, 2022; doi: 10.1029/2022JG006922)
Quelle: University of California – Santa Barbara