Biologie

Wie „intelligent“ sind Pilze?

Pilze erkennen Verteilungsmuster und richten ihr Mycel danach aus

Formen vin Pilzmycelien
Pilzmycelnetzwerke, die kreis- und kreuzförmig angeordnete Holzklötze verbinden. © Yu Fukasawa et al.

Kluge Netzwerker: Pilze haben kein Gehirn, zeigen aber dennoch Anzeichen von einfacher Intelligenz. Sie erkennen beispielsweise Muster und Anordnung von Nahrungsquellen in ihrer Umgebung und richten ihre Mycelfäden danach aus, wie Forschende herausgefunden haben. Demnach verarbeiten Pilze mithilfe ihres Mycels Informationen über ihre Umgebung und treffen bei ihrem Wachstum passende Entscheidungen – ein Zeichen für „basale Kognition“.

Pilze wachsen, indem sie Sporen freisetzen, die dann keimen und unter der Erde lange, spinnenartige Fäden bilden. Dieses Mycel kann zu einem riesigen Netzwerk aus Pilzfäden heranwachsen. Da das Mycel unterirdisch gedeiht, sehen wir meist nur die oberirdischen Fruchtkörper der Pilze. Für uns verborgen bleibt daher, dass Pilze über ihr Mycel auch Informationen in Form elektrischer Signale austauschen – ähnlich wie die neuronalen Verbindungen in unserem Gehirn.

Doch verarbeiten Pilze diese Informationen auch so, dass sie daraus Schlüsse ziehen und auf Veränderungen reagieren können? Kurz gesagt: Sind Pilze intelligent?

Ein Pilz auf Holzsuche

Diesen Fragen ist ein Team um Yu Fukasawa von der Universität Tohoku in der japanischen Stadt Osaki anhand eines holzabbauenden Pilzes nachgegangen: Phanerochaete velutina. Dieser Pilz ernährt sich von totem Holz am Waldboden, merkt sich dabei, wo sich wieviel Holz befindet, und lernt daraus, wie frühere Studien zeigten. In ihrer aktuellen Studie untersuchten die Biologen in zwei verschiedenen Situationen, wie dieser Pilz seine Mycelfäden bildet und ob er sie auch an einer Nahrungsquelle ausrichtet.

Fukasawa und seine Kollegen platzierten dafür je neun kleine pilzbewachsene Würfel aus Buchenholz in einem Kreis- oder einem Kreuzmuster auf einem Erdboden. Dann beobachteten sie über 116 Tage hinweg das Pilzwachstum in dieser Umgebung und machten regelmäßig Fotos von dessen Fortschritt. Anschließend verglichen sie, ob sich die Mycele an der Position der Holzklötze orientiert hatten oder gleichmäßig in alle Richtungen gewachsen waren. Zudem ermittelten die Biologen, wie viel Masse die Holzwürfel an die Pilze verloren hatten.

kreis- und kreuzförmige Pilzmycelnetzwerke im Laufe der Zeit
Die Studie zeigt, wie sich die Pilzmycelnetzwerke mit der Zeit ausbreiten und dabei die Holzklötze verbinden. © Yu Fukasawa et al.

Vernetzte Außenposten und tote Mitte

Dabei zeigte sich, dass der Pilz sein Mycelnetzwerk nur anfangs gleichmäßig erweiterte, sich später aber tatsächlich nach den Holzwürfeln ausrichtete. Bei der kreuzförmigen Anordnung der Würfel bildete der Pilz dabei stärkere Verbindungen zu und zwischen den äußersten vier Klötzen. Diese „Außenposten“ waren so besser vernetzt als die inneren Klötze. Zugleich baute der Pilz dort das Holz etwas stärker ab als an den inneren Posten, wie das Team berichtet.

In der Kreisform waren hingegen alle Würfel gleichermaßen gut in das Mycelnetzwerk eingebunden. Insgesamt waren die Klötze allerdings stärker vernetzt und das Holz wesentlich mehr „angeknabbert“ als in der Kreuzform. Erstaunlicherweise bildete der Pilz keinerlei Fäden im Kreisinneren, zwischen den Holzklötzen.

Informationsverarbeitung führt zu Wachstumsentscheidung

Die Forschenden vermuten, dass sich der Pilz mithilfe dieser Ausbreitungsweise auf Futtersuche begibt und dabei dichtere Informationsnetzwerke in Richtung der bis dato unerforschten und unbesiedelten Umgebung seiner Außenposten bildet. Die bereits dichter besiedelten Innenbereiche seines Netzwerks erkundet der Pilz nicht weiter, weil er sich von dort keinen Nahrungsvorteil mehr verspricht, so die Annahme des Teams.

„Diese Erkenntnisse lassen darauf schließen, dass das Pilzmyzel anhand seiner Holzzersetzungsaktivität die Unterschiede in der räumlichen Anordnung von Holzblöcken ‚erkennen‘ kann“, schreibt das Team. Das deutet darauf hin, dass das Pilzmycel in der Lage war, Informationen über seine Umgebung über das gesamte Netzwerk zu kommunizieren und seine Wachstumsrichtung entsprechend zu ändern.

Warum der Innenkreis im Experiment leer blieb, ist dennoch ein Rätsel: „Es ist unklar, wie das verschmolzene Myzel nach der Verschmelzung sein neues ‚Zentrum‘ identifizierte“, sagen Fukasawa und seine Kollegen.

Zeichen für primitive Intelligenz

Dennoch schließen die Forschenden aus ihren Ergebnissen, dass der Pilz aktiv Informationen verarbeitet, Entscheidungen trifft und sein Mycelnetzwerk strategisch passend zu seiner Umgebung ausrichtet. Dies sei ein Zeichen für basale kognitive Fähigkeiten und damit für Intelligenz, so das Team. Demnach können nicht nur Tiere mit Gehirnen intelligent sein, sondern auch Lebewesen wie Pilze, die zwar kein zentrales Nervensystem, aber eine andere Art an neuronalen Netzwerken besitzen.

„Es ist erstaunlich, zu wie viel Pilze fähig sind“, bemerkt Fukasawa. „Pilze haben Erinnerungen, sie lernen und sie können Entscheidungen treffen.“ Die Erkenntnisse helfen damit zu verstehen, wie sich verschiedene Formen von Kognition und primitiver Intelligenz in unterschiedlichen Organismen entwickelt haben. „Ob das Mycel ein Bewusstsein hat oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, da kognitive Prozesse auch im Gehirn unabhängig vom Bewusstsein funktionieren“, erklären die Forschenden. (Fungal Ecology, 2024; doi: 10.1016/j.funeco.2024.101387)

Quelle: Universität Tohoku

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