Ernährung

Wie klimafreundlich ist Laborfleisch?

In-vitro-Fleisch schneidet langfristig nicht unbedingt besser ab als das konventionelle Pendant

In-vitro-Fleisch
Ist Laborfleisch wirklich ökologisch verträglicher als herkömmliches Fleisch? © Nevodka/ iStock.com

Fraglicher Klimaschutzeffekt: Rindfleisch aus dem Reagenzglas trägt nicht zwangsläufig weniger zur Erderwärmung bei als sein konventionelles Pendant. Im Gegenteil, wie eine Analyse zum Klima-Fußabdruck von Laborfleisch zeigt. Wegen dessen hohem Energiebedarf könnte langfristig das klassische Rindfleisch sogar die Nase vorn haben. Ob Laborfleisch zum Klimaschutz tauge, hänge daher vor allem von der künftigen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien ab, so das Fazit der Forscher.

Fleischkonsum ohne schlechtes Gewissen: Das soll in Zukunft In-vitro-Fleisch ermöglichen – Fleisch, das im Reagenzglas wächst. Forscher tüfteln bereits seit Jahren daran, aus tierischen Zellen im Labor echte Steaks und Schnitzel zu züchten. Verbunden damit ist die Hoffnung, durch diese Produktionstechnik nicht nur Tierleid zu vermeiden. Die Hersteller gehen auch davon aus, dass sich ihre Erzeugnisse deutlich ökologischer herstellen lassen als das konventionelle Pendant.

„Laborfleisch hat in jüngster Zeit viel öffentliche Aufmerksamkeit erfahren. Dabei wird häufig betont, dass der Umstieg auf dieses im Labor kultivierte Fleisch große Vorteile für das Klima bringen würde“, sagt John Lynch von der University of Oxford. Doch stimmt das auch? Diese Frage ist alles andere als leicht zu beantworten. Denn noch ist zum Beispiel völlig unklar, wie eine Massenproduktion von In-vitro-Fleisch genau aussehen könnte.

Emissionen im Blick

Lynch und sein Kollege Raymond Pierrehumbert haben sich nun trotzdem an einer Annäherung versucht: Für ihre Studie werteten sie in der Literatur verfügbare Daten zu den Emissionen von vier möglichen Fleischkultivierungstechniken aus und verglichen diese mit drei konventionellen Methoden der Rinderhaltung.

Diese Informationen ließen sie anschließend in ein Modell einfließen, um die durch diese Produktionsmethoden verursachten Erderwärmungseffekte zu kalkulieren. Dabei betrachteten sie den Zeitraum der nächsten 1.000 Jahre sowie unterschiedliche Szenarien in Bezug auf den mengenmäßigen Rindfleischkonsum der Bevölkerung.

Schwindender Vorteil

Die Auswertungen zeigten: Bleibt der Fleischkonsum ähnlich hoch wie bisher, könnte Laborfleisch tatsächlich zunächst weniger zum Klimawandel beitragen als „echtes“ Rindfleisch. Doch langfristig schwindet dieser Vorteil – und in manchen Fällen verursacht die Rinderhaltung schließlich sogar weniger Erwärmung als die Produktion des Kunstfleisches. Auch wenn der globale Fleischkonsum bereits nach 100 Jahren gegen null tendiert, hat die konventionelle Produktion auf Dauer die Nase vorn, wie die Forscher berichten.

Der Grund: Während die Kultivierung von Fleisch in Bioreaktoren in erster Linie CO2-Emissionen zur Folge hat, schlägt die Rinderhaltung vor allem mit der erheblichen Freisetzung von Methan zu Buche. Die Wirkung dieses Treibhausgases ist zwar um einiges höher als die von Kohlendioxid – dafür aber ist seine Lebensdauer in der Atmosphäre kürzer. „Methan bleibt nur für rund zwölf Jahre in der Atmosphäre, während Kohlendioxid sich über Jahrtausende ansammelt“, erklärt Pierrehumbert.

„Nicht unbedingt besser“

„Die aktuell verfügbaren Daten zeigen, dass Laborfleisch nicht unbedingt besser für das Klima ist und es somit auch keine Lizenz zum uneingeschränkten Fleischkonsum gibt“, schreiben die Wissenschaftler. Allerdings seien ihre Berechnungen noch mit einigen Unsicherheiten verbunden. So ging das Team in seinem Modell beispielsweise davon aus, dass die Energieversorgung so bleibt wie bisher. Steht in Zukunft deutlich mehr Energie aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung, könnte der CO2-Fußabdruck des In-vitro-Fleisches erheblich kleiner ausfallen.

„Auch haben wir eine Reihe anderer Umwelteinflüsse durch die Rindfleischproduktion nicht berücksichtigt, zum Beispiel die Wasserverschmutzung oder die Versauerung von Böden, und Laborfleisch kann in diesem Zusammenhang womöglich Vorteile haben“, schreiben Lynch und Pierrehumbert. Zu guter Letzt hänge das Potenzial dieses Fleisches zudem wesentlich von einem weiteren Faktor ab: Der Bereitschaft der Menschen, ihr echtes Steak durch eines aus dem Reagenzglas zu ersetzen. (Frontiers in Sustainable Food Systems, 2019; doi: 10.3389/fsufs.2019.00005)

Quelle: Frontiers

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