Aus diesen Zähnen schnitten Srot und ihre Kollegen dünne Scheiben heraus und erstellten davon mehrere hochauflösende Bilder. Dafür nutzen sie zwei mikroskopische Methoden: die 3D-fokussierte Ionenstrahltomographie und die Rastertransmissionselektronen-Mikroskopie.
Eisen sorgt für robusten Zahnschmelz, färbt ihn aber nicht
Die Aufnahmen offenbarten einen feinabgestimmten Reifeprozess bei der Bildung und Aushärtung des Zahnschmelzes: Zunächst produzieren spezialisierte Zellen im Kiefer der Nager Proteine, die Eisenionen speichern können, sogenannte Ferritine. Wenn sich dann an den wachsenden Schneidezähnen neuer Zahnschmelz bildet, lagert sich dieses Eisen darin ein.
Das geschieht in Form eines eisenhaltigen Materials, das dem Biomineral Ferrihydrit ähnelt, wie die Analysen ergaben. Dieses Material entsteht innerhalb der Ferritine, wird dann von den Zellen ausgeschieden und füllt schließlich winzige Hohlräume im kristallinen Zahnschmelz. Diese Taschen sind nur wenige Nanometer groß und befinden sich in der äußersten Schicht des Zahnschmelzes.
Die intensive orange-braune Farbe der Schneidezähne hatte indes nichts mit dem Eisengehalt des Zahnschmelzes zu tun, wie die Analysen ebenfalls offenbarten. Demnach kommt die Farbe durch eine andere Schicht an der Zahnoberfläche zustande, die aus aromatischen Aminosäuren und anorganischen Mineralien besteht.
Eisen im Zahnschmelz als Säureschutz
Das eisenhaltige Ferrihydrit-ähnliche Material macht insgesamt nur etwa zwei Prozent des Zahnschmelzes der Nager aus. Das reicht jedoch aus, um den Schmelz resistent gegenüber den von Mikroben produzierten Säuren zu machen. Das eingelagerte Eisen macht die Zähne somit noch robuster als sie ohnehin schon sind, wie das Team berichtet. Die Nager können dadurch problemlos auch hartes Holz durchnagen.
Doch offenbar benötigen einige Nagerarten stabilere Schneidezähne als andere. Denn die eisenhaltige Schicht im Zahnschmelz war bei den untersuchten Tieren unterschiedlich dick, wie die Bildaufnahmen zeigten. Am dicksten war sie bei Nutrias, am dünnsten bei Mäusen. „Die Gründe für die unterschiedliche strukturelle Anordnung bleiben unbekannt, können jedoch auf unterschiedliche Lebensgewohnheiten, Ernährungsgewohnheiten, Nageverhalten, genetischen Hintergrund und mechanische Belastungen zurückgeführt werden“, so das Team. Ein Biber braucht zum Bau seiner Holzbehausung vermutlich stabilere Zähne als eine Feldmaus.
Inspiration für unsere Zahncreme?
Nach Ansicht von Srot und ihren Kollegen könnten die Erkenntnisse auch unseren Zähnen zugutekommen. Sie vermuten, dass Ferrihydrit-ähnliche oder andere farblose Eisenmineralien auch unseren Zahnschmelz stärken und damit schützen könnten. Dafür müssten diese Substanzen wahrscheinlich nur in kleinen Mengen unseren Zahnpflegeprodukten wie Zahncremes beigemischt werden.
Auch in synthetischen Zahnschmelz könnten geringe Mengen von Eisenhydroxiden eingearbeitet werden, um langlebigeren Zahnersatz zu gewährleisten. „Diese Erkenntnisse ermöglichen die Schaffung einer völlig anderen Klasse von Dentalbiomaterialien mit verbesserten Eigenschaften, inspiriert von den genialen Designs der Natur“, schreiben die Forschenden. (ACS Nano, 2024; doi: 10.1021/acsnano.4c00578)
Quelle: American Chemical Society
18. April 2024
- Claudia Krapp