Biologie

Wie Pilze miteinander „sprechen”

Elektrische Signale der Pilze ähneln in ihrer Struktur einer Sprache

Pilz mit Elektroden
Pilze wie dieser können miteinander kommunizieren – über elektrische Reize. © Andy Adamatzky

Gesprächige Pilze: Ähnlich wie Nervenzellen sind Pilze offenbar in der Lage, mit Hilfe elektrischer Signale miteinander zu kommunizieren – und verfügen dabei sogar über eine Art Sprache mit unterschiedlich großem Wortschatz. Mathematische Analysen der Struktur dieser Signale enthüllen, dass sie in Sequenzen auftreten, die der Abfolge von Wörtern in menschlichen Sprachen ähneln. Verschiedene Pilzarten erzeugen dabei unterschiedlich komplexe „Sätze“, wie ein Forscher ermittelt hat.

Pilze zählen zu den vielfältigsten Lebewesen der Welt: Sie besiedeln Böden, Lebensmittel und Organismen, können hauchfeine Fäden, winzige Sporen und beeindruckende Fruchtkörper bilden, Krankheiten auslösen und Antibiotika produzieren. Doch das ist noch nicht alles. Offenbar sind sie auch in der Lage, elektrische Signale zu senden – ähnlich wie Nervenzellen.

Puppen-Kernkeule
So belauscht man einen Pilz: Ableitung elektrischer Signale bei der Puppen-Kernkeule (Cordyceps militaris). © Andy Adamatzky

Elektrische Signale als Kommunikation?

Andrew Adamatzky von der University of the West of England in Bristol hat sich nun näher mit diesen elektrischen Impulsen auseinandergesetzt und kommt zu dem Ergebnis, dass es sich dabei wahrscheinlich um eine Form der Kommunikation handelt. „Es gibt erste Belege dafür, dass Pilze tatsächlich auf mechanische, chemische und optische Reize reagieren, indem sie das Muster ihrer elektrischen Aktivität ändern“, erklärt er.

Um die Sprache der Pilze zu entschlüsseln, untersuchte er die Signale von vier verschiedenen Pilzspezies. Dazu zählten der Australische Geisterpilz (Omphalotus nidiformis), ein giftiger Pilz, der im Dunkeln leuchtet, der Speisepilz Enoki (Flammulina velutipes), der vor allem in Asien kultiviert wird, aber auch in Europa vorkommt, der Gemeine Spaltblättling (Schizophyllum commune), der an Laub- und Nadelbäumen wächst, sowie die Puppen-Kernkeule (Cordyceps militaris), ein parasitischer Schlauchpilz, der Schmetterlingspuppen befällt.

Unterschiede zwischen den Pilzspezies

Die elektrischen Signale maß Adamatzky mit Elektroden, die er entweder direkt in den Pilz steckte oder in das Substrat, in dem der Pilz wuchs. Dabei stellte er fest, dass jede Art ihr eigenes Kommunikationsmuster hat. In jeweils unterschiedlichen Abständen und Stärken erzeugen sie sogenannte Spikes, also Spitzen elektrischer Aktivität. „Diese ähneln den Aktionspotenzialen von Nervenzellen“, erklärt Adamatzky. „Ich habe festgestellt, dass die Spikes oft in Reihen auftreten.“

Während allerdings Nervenzellen in Sekundenschnelle feuern, geht es bei Pilzen offenbar gemächlicher zu. „Die Dauer der Spikes variiert zwischen einer und 21 Stunden“, berichtet der Forscher. Die Intervalle zwischen den Spikes liegen zwischen etwa 30 Minuten und mehreren Stunden.

Wortschatz der Pilze entschlüsselt

Ob sich hinter der Abfolge dieser Zeitlupen-Signale eine Struktur verbirgt, analysierte Adamatzky mit mathematischen Methoden. Dabei behandelte er die Abfolge von Spikes in der elektrischen Aktivität der Pilze wie Silben von Wörtern und analysierte die Länge der Wörter und die Komplexität der daraus entstehenden „Sätze“. Sein Ergebnis: „Die Verteilung der Wortlängen von Pilzen entsprechen denen von menschlichen Sprachen.“

Dabei haben die Pilze der Analyse zufolge einen erstaunlich großen „Wortschatz“: „Der Spaltblättling und der Geisterpilz nutzen bis zu 50 Wörter“, berichtet Adamatzky. „Das Kernlexikon der am häufigsten verwendeten Wörter umfasst jedoch nicht mehr als 15 bis 20 Wörter.“ Der Spaltblättling generiert überdies die komplexesten Sätze, gefolgt von der Puppen-Kernkeule.

Weitere Untersuchungen geplant

In zukünftigen Studien möchte Adamatzky möglichst viele weitere Pilzarten analysieren und außerdem versuchen, möglichen grammatikalischen Konstrukten auf die Spur zu kommen. Zu viel dürfe man davon aber nicht erwarten, schränkt er ein: „Bisher haben wir nicht einmal die Sprache von Katzen und Hunden entschlüsselt, obwohl wir seit Jahrhunderten mit ihnen zusammenleben“, schreibt er. „Die Erforschung der elektrischen Kommunikation von Pilzen steckt noch in den Kinderschuhen.“ (Royal Society Open Science, 2022, doi: 10.1098/rsos.211926)

Quelle: Royal Society

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