Unsere roten Blutkörperchen verlieren im Laufe ihres Reifungsprozesses ihren Zellkern. Wie genau das geschieht, war bislang allerdings unklar. Jetzt haben Wissenschaftler diesen nur bei Säugetieren vorhandenen Prozess zum ersten Mal von Anfang bis Ende im Labor beobachtet und berichten darüber in der Fachzeitschrift „Nature Cell Biology“. Sie gewannen dabei auch entscheidende Erkenntnisse über einen der grundlegenden Schritte der Säugetier-Evolution.
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Im Gegensatz zu allen anderen Zellen in unserem Körper kommen die roten Blutkörperchen, wenn sie erwachsen sind, ohne Zellkern aus. Dadurch können sie mehr Sauerstoff-transportierendes Hämoglobin enthalten und damit auch den Sauerstofftransport im Blut effektiver machen. Dieses Loswerden des Kerns im Laufe der Reifung ist eine relativ „neue“ Erfindung im Tierreich, erst die Säugetiere entwickelten diesen Prozess. Die Blutkörperchen von Fischen, Reptilien oder Vögeln dagegen behalten ihren Zellkern noch, schalten ihn aber ab.
Aktin-Ring schnürt Kern ab
Seit längerem schon erforschen Wissenschaftler diese rätselhafte Kern-Entsorgung. Sie fanden heraus, dass sich in fast reifen Blutzellen Aktinfilamente zu einem Ring formen und durch Kontraktion den Teil der Zelle abschnüren, in dem der Zellkern liegt. Der solcherart isolierte Kern wird dann von einer der Fresszellen des Körpers vertilgt und vernichtet. Wie dieser Prozess aber gesteuert und genetisch kontrolliert wird, war bisher noch unbekannt.
Jetzt haben Wissenschaftler um Harvey Lodish vom Whitehead Institute for Biomedical Research in Cambridge, USA, erstmals den gesamten Prozess im Labor an Mäusezellen beobachtet und analysiert. Die Forscher entnahmen und kultivierten Vorläuferzellen der roten Blutkörperchen aus der Leber eines Mäuseembryos. Diese teilten sich vier oder fünf Mal, bevor sie in die kritische Phase eintraten und ihre Kerne verloren. Mittels Fluoreszenzmarkierungen konnten die Forscher genau verfolgen, was dabei vor sich ging.
Proteine identfiziert
„Indem wir ein Zellkultursystem nutzten, konnten wir zusehen, wie sich die Zellen teilen, Hämoglobin produzieren und dann ihre Kerne verlieren”, erklärt Lodish, der gleichzeitig Professor für Biologie am Massachusetts Institute of Technology ist. „Wir haben entdeckt, dass die Proteine Rac1, Rac2 und mDia2 am Bau der Ringe aus Aktinfilamenten beteiligt sind.“
Besonders spannend, so die Wissenschaftler, war dabei die Tatsache, dass Rac1 und Rac2 keineswegs Unbekannte in der Zellbiologie sind. „Diese Proteine sind bekannt dafür, dass sie bei vielen Körperzellen an der Produktion von Aktin beteiligt sind“, erklärt Peng Ji, Hauptautor der aktuellen Studie. „Sie sind ein essenzieller Bestandteil vieler wichtiger Zellfunktionen, darunter auch der Zellteilung.“
Die Wissenschaftler wollen nun den gesamten Prozess der Bildung roter Blutkörperchen weiter erforschen und hoffen dabei Erkenntnisse zu gewinnen, die die Entstehung bestimmter Blutkrankheiten erklären können.
(Whitehead Institute for Biomedical Research, 12.02.2008 – NPO)