Psychologie

Wie sich Lügner verraten

Elektromyogramm enthüllt zwei verräterische Muskelreaktionen im Gesicht

Lügner
Forscher haben ein weiteres verräterisches Symptom des Lügens entlarvt – die Pinocchio-Nase ist es aber nicht. © purestock/iStock.com

Entlarvende Zuckung: Wenn jemand lügt, verrät sich dies durch zwei blitzschnelle, mit bloßem Auge nicht sichtbare Muskelreaktionen im Gesicht, wie Messungen mittels Elektromyografie (EMG) enthüllen. Demnach zuckt je nach Person entweder ein Muskel in der Wange oder über der Augenbraue. In einem ersten Test konnte ein darauf trainiertes KI-System auf diese Weise Lügen zu 73 Prozent richtig erkennen – menschliche Testpersonen kamen nicht über zufällige Treffer hinaus.

Ob harmlose Notlüge, Schummeln oder komplexes Lügenmärchen: Lügen gilt als unmoralisch und falsch, dennoch tun wir Menschen es immer wieder. Umso wichtiger ist es beispielsweise in der Kriminalistik, Lügen und Falschaussagen sicher identifizieren zu können. Das aber ist nicht einfach. Zwar kann die Gesichtstemperatur anzeigen, ob jemand lügt, aber verlässlich ist dieses Indiz nicht. Technische Methoden wie Polygraphen und Hirnscans lassen sich austricksen und selbst trainierte Beobachter scheitern bei erfahrenen Lügnern oft.

Verräterische Muskelsignale

Eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Lügendetektoren könnten nun Anastasia Shuster von der Universität Tel Aviv und ihre Kollegen gefunden haben. Basis ihrer Methode sind subtile Reaktionen der Gesichtsmuskeln auf eine Lüge. „Der Theorie nach manifestiert sich eine Täuschung durch unwillkürliche Mikro-Mimik, die nur 40 bis 60 Millisekunden anhalten, aber nicht mit den Emotionen übereinstimmen, die die Person durch ihre Lüge übermitteln will“, erklärt das Forschungsteam.

Um diese winzigen Zuckungen detektieren zu können, hat das Team besonders kleine, aber auflösungsstarke Elektroden entwickelt, die einfach aufgeklebt werden und dann die elektrischen Impulse der Gesichtsmuskeln auffangen. Für ihre Studie setzten die Forschenden jeweils zwei Testpersonen einander gegenüber, beide bekamen Kopfhörer auf, über die sie jeweils eines von zwei Wörtern hörten. Sie sollten dann entweder das richtige Wort ihrem Gegenüber laut mitteilen oder aber lügen und das jeweils andere Wort nennen.

Lügner entlarvt

Während dieses Tests zeichneten Elektroden auf Stirn und Wange die unwillkürlichen Muskelreaktionen der Probanden auf. Es zeigte sich: Während die Probanden oft nur in der Hälfte der Fälle richtig erkannten, ob ihr Gegenüber log, waren die Elektroden auf Stirn und Wange erfolgreicher: Bei allen 40 Teilnehmern konnten die Forschenden anhand der Muskelreaktionen von Stirn und Wange erkennen, wann diese logen.

„Das ist der erste Nachweis einer Lügendetektion durch Oberflächen-EMG in einer solchen Situation“, sagen Shuster und ihre Kollegen. In einem weiteren Test trainierte das Team ein KI-System darauf, die spezifischen Muskelsignale zu identifizieren. „Mit dieser Methode erreichten wir eine Trefferquote von 73 Prozent – nicht perfekt, aber immer noch besser als die meiste bisher existierende Technologie“, berichtet Shusters Kollege Dino Levy.

Das Team vermutet, dass wir Menschen vielleicht doch einen Teil dieser blitzschnellen, unwillkürlichen Muskelreaktionen unbewusst wahrnehmen – und dass dies zu unserer Einschätzung einer Lüge zumindest beitragen könnte.

GEsichtsmuskeln
Beim Lügen reagiert je nach Person einer dieser beiden Gesichtsmuskeln. © Grays Anatomy/ historisch

Stirnrunzler oder Mundwinkelheber

Interessant dabei: Das Muster der unwillkürlichen Muskelanspannung ist nicht bei allen Lügnern gleich, stattdessen zeigten sich zwei ganz verschiedene Varianten: Bei einigen Testpersonen reagierte nur der Stirnrunzler (Corrugator supercilli) auf eine Lüge, dabei handelt es sich um einen Muskel direkt über der Augenbraue. Bei anderen Personen dagegen blieb die Stirn völlig unbewegt, dafür zuckte der Mundwinkelheber (Zygomaticus major).

„Beide Muskeln haben wohlbekannte Rollen im mimischen Ausdruck von Emotionen“, erklären die Wissenschaftler. Der Mundwinkelheber gilt auch als Lachmuskel und ist mit positiven Gefühlen und dem Lächeln verknüpft. Der Stirnrunzler hingegen ist eher mit negativen Affekten und Gesichtsausdrücken verknüpft. Warum ausgerechnet zwei so gegenteilige Muskeln auf das eigene Lügen reagieren, ist bisher unklar.

Kamera statt Elektroden

„In unserer Studie waren die Lügen sehr simpel. Wenn wir aber im echten Leben lügen, dann erzählen wir oft längere Geschichten, die meist sowohl wahre wie falsche Komponenten enthalten“, sagt Levy. Ob dann die Muskelreaktion noch ähnlich ausfallen, wollen sie nun in weiteren Studien testen. Sollte dies der Fall sein, könnten diese Reaktion künftig dazu beitragen, Lügner besser zu entlarven.

Dazu wären dann vielleicht sogar keine Elektroden mehr nötig, denn auch spezielle hochauflösende Kameras könnten die Muskelzuckungen erkennen. „Ob in der Bank, bei Polizeiverhören oder am Flughafen könnten dann entsprechende mit einer KI verknüpfte Kameras Wahrheit und Lüge unterschieden“, so Levy. „Sobald unsere Technologie perfektioniert ist, die Algorithmen noch besser trainiert und die Elektroden überflüssig, könnte diese Methode zahlreiche Anwendungen finden.“ (Brain and Behavior, 2021; doi: 10.1002/brb3.2386)

Quelle: Tel-Aviv University

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