Blick ins Blutsauger-Ei: Die Asiatische Tigermücke ist eigentlich nicht winterhart. Aber als Ei schaffen es die bei uns eingeschleppten Stechmücken, auch kühlere Phasen zu überstehen. Ein isolierender Spalt in der Eihaut und chemische Veränderungen in der Eihülle schützen gegen Eiskristalle, wie Biologen nun herausgefunden haben. Bleiben unsere Winter künftig mild, könnte dieser Blutsauger daher durchaus auf Dauer bei uns überleben.
Klein, aber absolut nicht harmlos: Die Asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) ist Träger und Überträger von immerhin 22 Viren, darunter die Erreger des lebensgefährlichen Dengue- und Chikungunya-Fiebers und des Zika-Virus. Bisher war Mitteleuropa vor diesen Gefahren gefeit, denn die wärmeliebenden Einwanderer aus Asien überstanden die Winter bei uns nicht.
Tigermücke überwintert schon bei uns
Das jedoch hat sich inzwischen geändert: Im letzten Winter gelang es gleich zwei Populationen der Tigermücken, in Deutschland zu überwintern. Sowohl bei Freiburg als auch in Heidelberg beobachteten Biologen, dass Populationen der Mücken die frostige Saison überdauerten.
Während die Larve und Puppen nur milde Temperaturen vertragen, weiß man schon länger, dass die Eier der Tigermücken frostresistenter sind: Sie vertragen selbst zehn Grad minus. Wie die Mückeneier dies bewerkstelligen, haben nun Aljoscha Kreß vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum in Frankfurt und seine Kollegen genauer untersucht.
Doppelstrategie gegen Kälte
Wie die Forscher berichten, haben Tigermücken für den Umgang mit Kälte zwei Strategien parat. Einerseits können sie sich in eine Art Winterschlaf begeben, die sogenannte Diapause. Andererseits passen sie sich auch durch morphologische und biochemische Veränderungen an kältere Temperaturen an. Die Forscher schickten daher die Mückeneier zunächst durch simuliert kurze Tage in Diapause und setzen dann einen Teil der Eier einen Tag lang kühlen drei Grad aus.
Wie sich zeigte, verändern Diapause und Kältestress auf ganz unterschiedliche Weise die Struktur des Tigermücken-Eis. Im Zuge der Winterruhe werden Teile der Eihülle, des Chorion, dünner. „Damit ist eine lange im Raum stehende Hypothese widerlegt, der zufolge die vor Frost schützende Wachsschicht getreu dem Motto ‚Viel hilft viel’ bei Kälte eher dicker wird“, erläutert Kreß. „Wir vermuten eher, dass sich die Qualität der Wachsschicht ändert.“
Spalt als Isolierhilfe
Im Gegensatz dazu wirkt sich die Kälte auf die Eihaut (Serosa) aus, die unter der Eihülle liegt. Unter dem Elektronenmikroskop sieht man, dass der Raum zwischen äußerer und innerer Eihaut größer wird, wenn die Eier einem Kältestress ausgesetzt waren. Dieser Zwischenraum isoliert dadurch das Ei-Innere gegen die frostige Außenwelt.
Das Prinzip ähnelt dem eines doppelwandigen Zelts: Bei Frost lagert sich Feuchtigkeit nur am Außenzelt ab und bildet dort Eiskristalle. Das Innenzelt aber bleibt vor Frost geschützt. Genauso verhindert der Spalt in der Eihülle auch, dass sich Eiskristalle im sensiblen Inneren des Tigermücken-Eis bilden.
„Diese Erkenntnisse liefern Anknüpfungspunkte für weitere Forschung darüber, wie eine eigentlich in den Tropen beheimatete Art weiter nördlich überwintern kann“, sagt Kreß. „Dieses Wissen ist wichtig, wenn es darum geht, zukünftige Verbreitungsgebiete der Asiatischen Tigermücke genauer zu modellieren und ihre bisherige Ausbreitung besser zu verstehen.“ (Journal of Vector Ecology, 2016; doi: 10.1111/jvec.12206)
(Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, 17.06.2016 – NPO)