Evolution

Wie Wale zu Riesen wurden

Blauwal und Co. haben ihren Ursprung unerwarteterweise im Südpolarmeer

Bartenwale
Die Ära der großen Bartenwale könnte schon deutlich früher angebrochen sein als gedacht. © Eugene Hyland, Museums Victoria

Giganten der Meere: Bartenwale wie Blau- und Buckelwal entwickelten ihren Riesenwuchs früher – und in der südlichen statt wie angenommen in der nördlichen Hemisphäre, wie Paläontologen nun herausgefunden haben. Darauf deutet der Fund eines neun Meter langen Bartenwalfossils in Australien hin. Da der Wal bereits vor 16 bis 21 Millionen Jahren gelebt hat, muss auch der Zeitraum rückdatiert werden, ab dem die Tiere einst ihren Gigantismus entwickelten. Bislang ging man davon aus, dass dies vor gerade einmal drei Millionen Jahren geschah.

Die größten Tiere der Welt und möglicherweise sogar aller Zeiten leben in unseren Meeren: Bartenwale. Mit ihren Bartenplatten aus Keratin filtern sie täglich tonnenweise Krill, Plankton und andere Kleinorganismen aus dem Wasser. Zu diesen Giganten der Meere gehören unter anderem der Buckel- und Blauwal. Letzterer bringt es auf bis zu 33 Meter Länge und 200 Tonnen Gewicht. Allein sein Herz wiegt so viel wie ein Kleinwagen, seine Zunge so viel wie ein Afrikanischer Elefant. Doch wie und wann wurden er und andere Bartenwale zu solchen Giganten?

Unterkiefer Fossil
Diese unscheinbaren Fragmente eines Wal-Unterkiefers liefern neue Hinweise. © Eugene Hyland, Museums Victoria

Von schmächtig zu mächtig

Bekannt ist, dass frühe Bartenwale mit wenigen Metern Länge noch eher schmächtig waren. Wie Fossilienfunde belegen, tauchten die ersten wirklich riesigen Exemplare erst vor rund drei Millionen Jahren in der nördlichen Hemisphäre auf. Bislang nahm man daher an, dass sich der Gigantismus der Bartenwale sprunghaft und in den Meeren des Nordens entwickelt haben muss. Der enorme Größenzuwachs wäre damit eine Reaktion auf die Veränderungen einer nahenden Eiszeit gewesen.

Doch ein Fossilienfund aus Australien bringt diese Hypothese nun ins Wanken. Es handelt sich um das Unterkieferfragment eines Bartenwals, der vor 21 bis 16 Millionen Jahren in der südlichen Hemisphäre lebte. Seine fossilen Überreste sind bereits im Jahr 1921 aus einer Felswand des südaustralischen Murray Rivers geborgen worden. Doch erst jetzt haben Paläontologen um James Rule von der Monash University in Melbourne sie noch einmal eingehend untersucht – mit überraschendem Ergebnis.

Riesenwuchs setzte deutlich früher ein

Die Analyse des Fossils zeigt: Der australische Bartenwal muss einst neun Meter lang gewesen sein. Er war damit bereits ein Drittel so groß wie heutige Blauwale und der größte Wal seiner Zeit, wie Rule und seine Kollegen berichten. Welcher Spezies er angehörte, ist allerdings noch unklar. So oder so hätte es diesen Meeressäuger gängiger Theorie nach aber eigentlich gar nicht geben dürfen. Denn für seine Zeit wäre das Tier einerseits viel zu groß gewesen und andererseits lebte es auch noch in der „falschen“ Hemisphäre.

Die Paläontologen gehen daher davon aus, dass der Ursprung der riesigen Bartenwale sowohl zeitlich als auch geografisch verschoben werden muss. „Statt einer abrupten Größenzunahme vor drei Millionen Jahren erreichten die südlichen Arten schon früh relativ große Ausmaße“, schreiben Rule und sein Team. Spätestens vor 20 Millionen Jahren waren sie im Süden bereits mittelgroß, wie das Fossil aus Australien belegt.

Einer ergänzenden Stammbaumanalyse zufolge muss sich der Riesenwuchs der Urzeit-Wale außerdem Schritt für Schritt vollzogen haben und nicht so plötzlich wie bislang gedacht. Selbst der vermeintlich sprunghafte Anstieg der Körpergröße im Norden baut wahrscheinlich auf diesem längerfristigen Trend auf, wie Rule und seine Kollegen erklären.

Südpolarmeer bot Giganten-Potenzial

Dass die Wiege der Bartenwale im Süden und doch nicht im Norden liegt, könnte nach Ansicht der Paläontologen auch mit den für Riesenwuchs optimalen Bedingungen des Südpolarmeers zusammenhängen. Zum Beispiel gab es dort schon vor Millionen Jahren ein saisonal reiches Nahrungsangebot aus Krill und Plankton.

Zusätzlich könnte ein Vorläufer des heutigen Antarktischen Zirkumpolarstroms für eine hohe Nährstoffdichte gesorgt haben. Als diese die Antarktis umgebende Meeresströmung irgendwann erstarkte und noch mehr Nährstoffe einspülte, wuchsen demnach auch die Wale immer weiter, so die Forschenden. (Proceedings of the Royal Society B Biological Sciences, 2023; doi: 10.1098/rspb.2023.2177

Quelle: Museum Victoria

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