Umwelt

Windräder: Tödlich auch für nichtheimische Fledermäuse

Deutsche Anlagen gefährden auch wandernde Fledermäuse aus Nachbarländern

Durch eine Windanlage getötete Fledermaus © Christian Voigt / IZW

Rotierende Todesfallen: Windräder sind nicht nur eine tödliche Gefahr für Fledermäuse, sie locken sie sogar regelrecht an. Dabei sterben nicht nur Fledermäuse aus der nahen Umgebung, sondern auch viele, die auf dem Weg in ihre Winterquartiere sind und von weither kommen. Das belegt nun eine Studie deutscher Biologen. Besonders fatal: Die meisten Toten sind Weibchen und Jungtiere und damit diejenigen, die für den Erhalt der Art wichtig sind.

Windräder liefern sauberen Strom und sind wichtig für die Energiewende. Aber auch sie haben Schattenseiten. Eine davon: Für viele Vögel und Fledermäuse sind die Rotorblätter eine tödliche Gefahr. Werden die Anlagen nicht währender Nacht abgeschaltet – der Zeit, in der die Fledermäuse am aktivsten sind, dann könnten jedes Jahr schätzungsweise 300.000 Fledermäuse an Windkraftanlagen in Deutschland verunglücken, wie Linn Lehnert vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) und ihre Kollegen berichten.

Für ihre Studie untersuchten die Biologen Todesfälle von Großen Abendseglern (Nyctalus noctula), einer wandernden Fledermausart an Windanalgen. Diese Fledermäuse gehören zu den häufigsten Opfern der in Norddeutschland installierten Windparks. Um deren Herkunft zu bestimmen, analysierten die Forscher das Verhältnis von schwerem zu leichtem Wasserstoff im Keratin der Haare. Beide Wasserstoffformen werden über das Wasser aufgenommen und im Haar konserviert. Weil ihr Verhältnis mit Umgebungstemperatur und Breitengrad schwankt, verrät es, woher ein Tier stammt.

Ein Viertel der Toten war nur auf der Durchreise

Wie sich zeigte, stammte mehr als ein Viertel der Fledermäuse nicht aus der näheren Umgebung der Windanlagen. Stattdessen handelte es sich um Tiere, die auf dem Weg in ihr Winterquartier in Deutschland oder im südwestlichen Europa waren. Sie kamen aus dem nordöstlichen Verbreitungsgebiet, das sich vom Baltikum über Russland und Weißrussland bis nach Polen erstreckt. Deutschland liegt genau auf der Zugroute dieser Fledermäuse, wenn sie zum Überwintern in wärmere Gebiete ziehen, so zum Beispiel nach Deutschland, oder weiter in die Schweiz oder nach Südfrankreich.

Herkunftsgebiete (rot) der tot an den deutschen Windanlagen (weiße Punkte) gefundenen Großen Abendsegler. © Lehnert et al. / PLOS ONE, doi: 10.1371/journal.pone.0103106

Für diese Populationen ist ein Verlust besonders dramatisch, da sie sich bei ungünstigen Klimabedingungen in manchen Jahren ohnehin kaum vermehren, wie die Forscher erklären. Wenn dann noch viele Fledermäuse in an deutschen Windkraftanlagen verunglücken, wird der Bestand vermutlich empfindlich geschwächt. „Die Studie zeigt, dass wir in Deutschland nicht nur Verantwortung für den Artenschutz heimischer Fledermausarten tragen, sondern aufgrund der zentralen Lage als Durchreiseland auch für migrierende Fledermäuse aus entfernten Ländern“, betont Fledermausexperte Christian Voigt vom IZW.

Es trifft besonders Weibchen und Jungtiere

Besonders fatal sind Windräder zudem, weil sie die Fledermäuse regelrecht anlocken. Die Zugzeit ist auch Paarungszeit, dann geraten die Fledermäuse regelrecht ins Schwärmen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und das geschieht am liebsten an landschaftlich markanten Strukturen wie Felsen, Kirchtürmen, oder eben Windrädern. Wie die Studie zeigte, sterben an den Windrädern besonders viele weibliche und junge Tiere. Für die Population ist das besonders kritisch, denn mit einem Weibchen fehlen in der nachfolgenden Generation auch deren potenzielle Jungtiere.

„Wir sind noch weit davon entfernt, die Populationsgrößen, demografischen Parameter und auch die Folgen solcher Gefahren für die Überlebensfähigkeit der Fledermaus-Populationen zu kennen“, so die Forscher. Doch die große Zahl der jedes Jahr an den Windanlagen getöteten Fledermäuse zeige den dringenden Handlungsbedarf auf nationaler und internationaler Ebene.

Konsequente Durchsetzung des Fledermausschutzes dringend nötig

Voigt wundert sich darüber, dass nur wenige Maßnahmen gegen diese tödlichen Fallen ergriffen werden: „Fledermäuse sind sowohl nach nationalem Recht als auch nach EU-Recht geschützt und migrierende Fledermäuse stehen zudem unter dem Schutz einer UN-Konvention, die von Deutschland unterzeichnet wurde. Wer eine einzige Fledermaus tötet, kann strafrechtlich belangt werden.“ Bei den Windkraftanlagen würde dagegen großzügig weggeschaut. „Hier werden Klimaschutz und Artenschutz gegeneinander ausgespielt – doch müssten sie im Sinne eines umfassenden Umweltschutzes Hand in Hand gehen.“

Dabei würden Windräder und Fledermäuse eigentlich gut zusammenpassen: Fledermäuse mögen keinen starken Wind. Sie sind nur bei Windgeschwindigkeiten von maximal sechs bis acht Metern pro Sekunde aktiv. Genau da fangen Windräder erst an, richtig Energie zu produzieren. Würden die Anlagen nur bei kräftigem Wind laufen, ließen sich Kollisionen vermeiden – auch die zwischen Klima- und Artenschützern. (PLOS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0103106)

(Forschungsverbund Berlin e.V., 14.08.2014 – NPO)

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