99,9 Prozent unserer Gene sind mit denen unserer Mitmenschen identisch – so jedenfalls dachte man bisher. Doch jetzt hat eine neue Studie gezeigt, dass mindestens zehn Prozent der menschlichen Gene sich in der Anzahl der darin enthaltenen Kopien von DNA-Sequenzen unterscheiden. Diese jetzt in „Nature“ veröffentlichte Entdeckung könnte einige bisherige Annahmen über Erbkrankheiten und die menschliche Evolution entscheidend verändern.
{1l}
Ausgangspunkt der Studie von Stephen W. Scherer und seinen Kollegen vom Howard Hughes Medical Institute (HHMI) war der Vergleich der beiden bisher existierenden Genkarten des Menschen – eine zusammengestellt von Craig Venter und seiner Firma Celera Genomics, die andere vom Human Genom Projekt. Die Forscher entdeckten prompt Tausende von Unterschieden. „Andere haben die beiden Gensequenzen auch schon verglichen“, erklärt Scherer, „aber sie entdeckten so viele Unterschiede, dass sie diese als Fehler in der Entschlüsselung werteten. Sie konnten einfach nicht glauben, dass sie möglicherweise nur Varianten zwischen den analysierten Genquellen gefunden hatten.“
Suche nach Kopiervarianten
Um sich ein besseres Bild machen zu können, verglichen die Forscher die DNA von 270 Menschen mit asiatischen, afrikanischen und europäischen Vorfahren, die bereits in der Datenbank „HapMap“ erfasst waren. Scherers Team suchte gezielt nach duplizierten oder verloren gegangenen Genbruchstücken, so genannten „copy number variations“ (CNVs). Mithilfe einer speziellen Scanning-Technik konnte sie bereits Unterschiede erfassen, die nur rund 1.000 Nukleotide (Basenpaare) lang waren. Ein Nukleotid ist der Grundbaustein der DNA, ihre Abfolge bestimmt die „Botschaft“ des genetischen Codes. Das menschliche Genom besteht wahrscheinlich aus rund drei Milliarden Basenpaaren.