Zoologie

Wölfe sind bessere Abgucker als Hunde

Hunde haben im Laufe der Domestikation die Fähigkeit verloren, von ihren Artgenossen zu lernen

Wölfe beobachten sich untereinander viel genauer als Hunde und lernen so voneinander. © Walter Vorbeck

Wer guckt besser ab – Wölfe oder Hunde? Dieser Frage sind österreichische Wissenschaftler nachgegangen und stellten fest: Es sind die Wölfe, die sehr gut von ihren Artgenossen lernen. Hunde hingegen haben diese Fähigkeit im Laufe ihrer Domestikation verloren. Die Forscher schließen daraus, dass der Mensch die Artgenossen der Hunde als Sozialpartner ersetzt hat, wie im renommierten Journal „PLoS ONE“ berichtet wird.

Vor mehr als 15.000 Jahren domestizierte der Mensch den Wolf. Der Übergang vom Wild- zum Haustier führte zur Veränderung im Sozialverhalten der Tiere: Hunde haben gelernt, eine enge Beziehung zu Menschen einzugehen. Hat sich dadurch das Verhalten der Tiere untereinander geändert? Könnte es sein, dass sich das bei den Wölfen noch auf ihre Artgenossen gerichtete soziale Gespür bei den Hunden auf den Menschen verlagert hat? Diese Fragen untersuchten die Verhaltensbiologinnen Friederike Range und Zsófia Virányi am Wolf Science Center der Universität Wien mit Hilfe eines einfachen Lerntests.

Wölfe schauen besser ab

Der Versuchsaufbau: In einem Raum befindet sich eine geschlossene Holzbox mit einer Futterbelohnung. Ein entsprechend trainierter Hund öffnet nun problemlos diesen Behälter, dabei wird er sowohl von Wölfen als auch von Hunden beobachtet. Im Anschluss finden sich diese Tiere vor demselben Problem wieder: Eine geschlossene Holzbox mit einer Futterbelohnung. So sieht der Aufbau des einfachen Lerntests aus, der neue Aufschlüsse über das Sozialverhalten von Wölfen und Hunden brachte. Die Frage dabei war: Schauen sich Wölfe und Hunde von ihrem „Vorturner“ ab, wie die Kiste zu öffnen ist?

Hunde lernen weniger gut voneinander als Wölfe. © Peter Kaut

Es zeigte sich, dass Wölfe sehr gut aus der Beobachtung von Artgenossen lernen. Sie können das Beobachtete umsetzen und imitieren das erfolgreiche Verhalten des Vorreiters. „Die Wölfe haben sehr genau beobachtet, was ihnen vorgemacht wurde und konnten dieses Wissen zum Lösen des Problems anwenden“, erklärt Range. Hunde hingegen schneiden in diesem einfachen Lerntest sehr viel schlechter ab: Obwohl ihnen ihr Artgenossen vorgemacht hat, wie es geht, schafften sie es oft nicht, sich diesen Trick abzuschauen. Sie probierten genauso herum als wenn sie nie ihren Artgenossen bei dieser Aufgabe beobachtet hätten.

Die feine Beobachtungsgabe der Wölfe

Aber: Haben die Wölfe wirklich durch Beobachtung gelernt oder sind sie grundsätzlich geschicktere Boxöffner als Hunde? Zur Beantwortung dieser Frage haben die Forscher die Tiere vor unterschiedliche Situationen gestellt. Ein Teil der Tiere hat den trainierten Hund dabei beobachtet, wie er mit der Schnauze den Behälter öffnet. Der andere Teil durfte dabei zusehen, wie der Behälter mit der Pfote geöffnet wurde.

In der Tat zeigte sich, dass die Wölfe in der Lage sind, sehr genau umzusetzen, was ihnen als der jeweils erfolgreiche Weg vorgeführt wurde. Sie wählten entsprechend dem Beobachteten entweder die Schnauze oder die Pfote zum Öffnen der Box. Die Hunde hingegen griffen zufällig zu einer der beiden Methoden. Das Rudelverhalten der Hunde scheint sich demnach im Laufe ihrer Domestikation verändert zu haben: Hunde haben die Fähigkeit verloren, sich untereinander genau zu beobachten und voneinander direkt zu lernen, wie die Forscher berichten.

Der Rudel als kooperierende Sozialgemeinschaft

Das Sozialverhalten der Tiere innerhalb des Rudels beruht auf Kooperation und Erfahrungsaustausch. Gelingt es einem Tier zum Beispiel ein technisches Problem zu lösen, so können die übrigen Tiere davon profitieren. Sie können durch Beobachtung Lernen und das Erlernte selber anwenden. Davon profitiert die Gesamtheit des Rudels und hat entscheidende Vorteile beim Überleben in der Wildnis.

Wie kommt es nun, dass Hunde diese Fähigkeit verloren haben? Hunde sind durch die Domestikation schlichtweg nicht mehr darauf angewiesen, von ihren Artgenossen zu lernen, schlussfolgern die Verhaltensforscherinnen Friederike Range und Zsófia Virányi. Friederike Range interpretiert: „Dies kommt wahrscheinlich daher, dass Wölfe sehr viel stärker auf die Koordination mit Artgenossen angewiesen sind als Hunde und daher auch aufmerksamer auf die Aktionen ihrer Partner achten.“

Der Mensch als moderner Sozialpartner des Hundes.

Der domestizierte Hund steht in einem sehr engen Sozialverhältnis zum Menschen. Die intensive Beziehung, die sich im Laufe der Domestikation des Hundes entwickelt hat, beruht nun genau auf diesem angeborenen Sozialverhalten des Hundes. Laut Friederike Range „haben Hunde diese angeborene soziale Fähigkeit zur Kooperation auf den Menschen ausgeweitet und akzeptieren ihn als Sozialpartner.“ Was der Rudel dem Wolf, ist im Laufe der Zeit demnach der Mensch dem Hund geworden.

(PLoS ONE, 2014; doi: 10.1371/journal.pone.0086559)

(Veterinärmedizinische Universität Wien, 03.02.2014 – KEL)

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