Neurobiologie

Womit schmecken wir Wasser?

Sauer-Rezeptor auf unserer Zunge nimmt auch Wasser wahr

Wasser hat eigentlich gar keinen Geschmack. Dennoch erkennen wir es beim Trinken sofort - aber wie? © kieferpix/ iStock.com

Sensoren für den „Nichtgeschmack“: Forscher haben aufgeklärt, womit wir Wasser schmecken. Demnach übernimmt der Sauer-Sensor auf unserer Zunge auch die Funktion des Wassers-Detektors. Er feuert, wenn die Spucke durch Wasser verdünnt wird – und gibt so das Startsignal zum Trinken. Wird dieser Sensor bei Mäusen blockiert, können sie nicht mehr zwischen Wasser und dünnflüssigem Öl unterscheiden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Neuroscience“ berichten.

Wasser ist für uns lebensnotwendig. Kein Wunder daher, dass das Gefühl des Durstes tief in unserm Gehirn verankert ist. Droht der Flüssigkeitshaushalt aus dem Gleichgewicht zu geraten, erhalten wir von unserem Durstzentrum ein unmissverständliches Signal: Wir bekommen Durst. Unsere innere Uhr sorgt sogar dafür, dass wir abends vorbeugend trinken – um einen Wassermangel in der Nacht zu verhindern.

Fünf Sensoren – wer ist zuständig?

Unklar blieb aber bisher, wie wir Wasser überhaupt erkennen. Gängiger Theorie nach können die Sensoren auf unserer Zunge nur fünf grundlegende Geschmacksreize unterscheiden: süß, salzig, sauer, bitter und umami – den typischen Proteingeschmack von Fleisch. Doch welche davon reagieren auf den neutralen Geschmack des Wassers?

Diese Frage haben nun Dhruv Zocchi vom California Institute of Technology (Caltech) und seine Kollegen untersucht. Für ihre Studie identifizierten sie zunächst die Nervensignale, die beim Wassertrinken im Mund erzeugt werden. Dann blockierten sie bei Mäusen jeweils bestimmte Geschmackssensoren und prüften, ob diese Signale dann noch auftraten.

Sauer-Sensor hilft beim Wasserschmecken

Das Ergebnis: Hatten die Mäuse deaktivierte Sensoren für bitter, süß oder umami, konnten sie zwar diese Geschmäcker nicht mehr wahrnehmen. Auf Wasser reagierten ihre Geschmacksnerven aber noch immer. Auch eine Blockade des Salz-Sensors änderte daran nichts – obwohl Salziges ja durchaus den Durst verstärken kann.

Schematische Darstellung einer Geschmacksknospe. © NEUROtiker/ CC-by-sa 3.0

Doch wenn die Forscher den Sauer-Sensor der Mäuse blockierten, hatte dies deutliche Folgen: Das für das normale Wassertrinken typische Nervensignal verschwand. „Wenn wir die synaptische Übertragung der für Sauer zuständigen Geschmacksrezeptoren unterbrachen, führte dies zu einem völligen Verlust der Wasserreaktion“, berichten Zocchi und seine Kollegen. Gleichzeitig konnten die Mäuse Wasser nicht mehr vom ähnlich dünnflüssigen Silikonöl unterscheiden.

Neutral – und doch ein Reiz

Damit ist klar, dass wir Wasser nur deshalb schmecken, weil die für das Saure zuständigen Geschmacksknospen unserer Zunge eine Doppelfunktion besitzen: Sie registrieren einerseits Säure und andererseits den völlig neutralen Reiz des Wassers. Möglich wird dies, weil das Wasser den Speichel in unserem Mund verdünnt. Dies verändert den Ionengehalt in der Mundflüssigkeit und wird vom Sauersensor registriert – er wird aktiv.

Das Signal aus unserer Mundhöhle wiederum geht direkt ans Gehirn – das erklärt, warum ein kaltes Glas Wasser unseren Durst oft schon löscht, bevor wir ganz ausgetrunken haben. Erst später kommen dann die Signale aus den Blutgefäßen hinzu, die dem Gehirn melden, ob der Soll-Wassergehalt erreicht ist.

Bei Licht – Trinken

Welche große Rolle dieser Geschmacksrezeptor für das Trinken und die Wasser-Wahrnehmung spielt, belegte ein weiteres Experiment: In ihm aktivierten die Wissenschaftler den Sauer-Sensor von durstigen Mäusen mit Hilfe einer optogenetischen Manipulation – setzten sie die Tiere einem bestimmten Licht aus, animierte dies ihre Sauer-Rezeptoren zum Feuern.

Als Folge begannen die Mäuse, leckende Bewegungen mit ihrer Zunge zu machen, als hätten sie einen Wasserspender vor sich und würden trinken. „Das demonstriert, dass die Aktivierung der Sauer-Geschmacksrezeptoren schon ausreicht, um das Trinken anzutreiben“, sagen Zocchi und seine Kollegen. „Die Wasser-Wahrnehmung durch unsere peripheren Sinnesorgane ist damit eine wichtige Basis für die Flüssigkeits-Regulation des Körpers.“ (Nature Neuroscience, 2017; doi: 10.1038/nn.4575)

(Nature, 30.05.2017 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Skelett eines ungeborenee Kindes

So entstehen die Knochen des ungeborenen Kindes

Astronomen entdecken jüngsten Transit-Planet

Mehr Blackouts durch Wind- und Sonnenstrom?

Parkinson: Wenn mehr Dopamin mehr Zittern bedeutet

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Blindsehen - Einem rätselhaften Wahrnehmungs-Phänomen auf der Spur

Synästhesie - Das Geheimnis der „Farbenhörer“ und „Wörterschmecker“

Duft - Von der Nase ins Gehirn

Bücher zum Thema

Im Fokus: Neurowissen - Träumen, Denken, Fühlen - Rätsel Gehirn von Nadja Podbregar und Dieter Lohmann

Von Alkohol bis Zucker - 12 Substanzen, die die Welt veränderten von Christian Mähr

Top-Clicks der Woche