Biologie

Wurzelpilze als CO2-Schlucker

Mykorrhizapilze nehmen über ein Drittel des weltweit emittierten Kohlenstoffs auf

Mykorrhiza
Die feinen Fäden der Mykorrhiza-Pilze nehmen Kohlenstoffverbindungen aus den Pflanzenwurzeln auf und tragen damit indirekt zur CO2-Speicherung bei. © Dr. Yoshihiro Kobae /CC-by-sa 4.0

Unterirdische CO2-Speicher: Die mit Pflanzenwurzeln verknüpften Mykorrhizapilze sind bisher unterschätzte Puffer im Klimasystem. Denn sie binden genug Kohlenstoff, um gut ein Drittel unserer weltweiten CO2-Emissionen auszugleichen, wie Forschende ermittelt haben. Demnach entspricht die Kohlenstoffaufnahme der Wurzelpilze rund 13,12 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr – das ist mehr als die gesamten jährlichen CO2-Emissionen Chinas. Die unterirdischen Pilznetzwerke erhalten ihren Kohlenstoff von den Pflanzenwurzeln, mit denen sie in Symbiose leben.

Unter unseren Füßen erstreckt sich ein riesiges, unterirdisches Netzwerk von Mykorrhizapilzen. Auf dem ganzen Planeten – unter Wiesen, Wäldern, Straßen und Häusern – sprießt das Myzel dieser Pilze in enger Symbiose mit den Wurzeln der Landpflanzen. Der Deal: Die Pilze liefern mineralische Nährstoffe, die Pflanzen den Kohlenstoff. Da schätzungsweise 70 bis 90 Prozent der Landpflanzen solche Pilz-Symbiosen eingehen, vermuten Wissenschaftler schon länger, dass dabei eine erhebliche Menge an Kohlenstoff über die Pilze in den Boden gelangen muss. Doch wie viel genau, war bislang unklar.

Mykorrhiza-Myzel
Angefärbtes Myzel eines Mykorrhiza-Pilzes. © Oyarte-Galvez (AMOLF) / CC-by-sa 4.0

Aufnahme entspricht einem Drittel der anthropogenen CO2-Emissionen

Forschende um Heidi Hawkins von der Universität Kapstadt haben nun ermittelt, wie viel Kohlenstoff Landpflanzen tatsächlich an die symbiotischen Mykorrhizapilze weiterreichen. Dafür führten sie eine Meta-Analyse von 194 Datensätzen aus 65 Forschungsarbeiten durch, die sich mit den Prozessen zwischen Pflanzen und Böden befassten. Auf Basis der Studien konnten Hawkins und ihr Team schließlich grob schätzen, wie viele der weltweiten CO2-Emissionen pro Jahr im unterirdischen Pilznetzwerk landen und welche Typen von Mykorrhizapilzen dabei die wichtigste Rolle spielen.

Das Ergebnis: Den Schätzungen der Wissenschaftler zufolge geben Landpflanzen jährlich bis zu 13,12 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente (CO2e) an die mit ihnen verbundenen Mykorrhizapilze ab. Das entspricht rund 36 Prozent der jährlichen weltweiten Treibhausgas-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und liegt sogar noch über dem CO2-Ausstoß Chinas, des weltweit größten Treibhausgas-Emittenten.

Pilze der Baumwurzeln schlucken am meisten CO2

Der wichtigste CO2-Speicher sind dabei die sogenannten Ektomykorrhiza-Pilze. Sie binden schätzungsweise 9,07 Milliarden Tonnen CO2e pro Jahr, wie Hawkins und ihre Kollegen berichten. Bei der Ektomykorrhiza dringen die feinen Pilzfäden zwar in die Rinde der Pflanzenwurzeln ein, nicht aber in deren Zellen. Meist bildet sich dann ein dichtes Geflecht von Hyphen rund um die Wurzelhärchen der Pflanzen. Diese Form der Mykorrhiza ist vor allem bei den Symbiosepartnern der Bäume verbreitet, auch in unseren Wäldern.

Auf Platz zwei der pilzlichen CO2-Schlucker stehen die vor allem in den Tropen verbreiteten arbuskulären Mykorrhizapilze mit jährlich 3,93 Milliarden Tonnen CO2e. Bei diesen Pilzen dringen die feinen Hyphen in die Zellen der Pflanzenwurzel ein und bilden dort bäumchenartige Verzweigungen. Auf Platz drei folgen die für Heidelandschaften typischen ericoiden Mykorrhizapilze mit 0,12 Milliarden Tonnen CO2e. Diese endosymbiontischen Pilze bilden kein Geflecht, sondern entwickeln spezielle Saugorgane in den Wurzelzellen.

Speicherdauer noch unbekannt

Der Kohlenstoff, den die Pflanzen aus der Luft aufnehmen, in organische Moleküle einbauen und dann an die Mykorrhizapilze weiterreichen, dient diesen als Wachstums-Booster. Die Pilze nutzen ihn, um damit ein umfangreicheres Myzel zu bilden, mit dessen Hilfe sie den Boden erkunden und Nährstoffe aufnehmen können. Es ist allerdings noch unklar, wie lange der Kohlenstoff in den Mykorrhizapilzen verbleibt und wie viel davon wieder in die Umwelt gelangt.

„Ein Teil wird in kleine Kohlenstoffmoleküle zersetzt und von dort entweder an Partikel im Boden gebunden oder sogar von Pflanzen wiederverwendet. Und natürlich geht ein Teil des Kohlenstoffs bei der Atmung durch andere Mikroben oder den Pilz selbst als Kohlendioxidgas verloren“, erklärt Hawkins. Zu Lebzeiten scheiden die Pilze den Kohlenstoff unter anderem in Form von klebrigen Verbindungen aus, die während des Wachstums entstehen und anschließend von Mikroben im Boden gebunden werden.

Eine neue Kohlenstoffsenke

„Wir hatten schon immer den Verdacht, dass wir einen großen Kohlenstoffspeicher übersehen haben“, sagt Hawkins. Die Aufmerksamkeit sei bisher vor allem den Wäldern geschenkt worden, da die Bäume bei ihrem Wachstum CO2 aus der Atmosphäre ziehen. Doch was danach mit den riesigen Mengen an Kohlenstoff passiert, sei dabei weitestgehend untergegangen. Ihre Kollegin Katie Field von der Universität Sheffield ergänzt: „Mykorrhizapilze stellen einen blinden Fleck in der Kohlenstoffmodellierung, -erhaltung und -wiederherstellung dar. Die Zahlen, die wir aufgedeckt haben, sind atemberaubend.“

Noch sind die ermittelten Werte eher eine Schätzung als ein genauer Wert, wie das Team betont. Nichtsdestotrotz demonstriere schon die Größenordnung die wichtige Rolle von Pilzen und Bodenökosystemen für Klima und Natur. „Wenn wir die uralten Lebenserhaltungssysteme im Boden stören, sabotieren wir unsere Bemühungen, die globale Erwärmung zu begrenzen, und untergraben die Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Ökosysteme, von denen wir abhängen“, so Field.

Das Team mahnt deshalb dazu, Pilze künftig in Naturschutz- und Umweltmaßnahmen stärker zu berücksichtigen und die Forschung über ihre Funktionen weiter voranzutreiben. (Current Biology, 2023; doi: 10.1016/j.cub.2023.02.027)

Quelle: Cell Press, University of Sheffield

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