Wärmeliebende Blutsauger: Mit dem Klimawandel steigt das Risiko für von Zecken übertragene Krankheiten. So haben sich die Risikogebiete für die Hirnhautentzündung FSME in Süddeutschland verlagert und nach Norden ausgebreitet. Zudem haben Forscher bereits zwei neueingewanderte Zeckenarten in Deutschland nachgewiesen. Forscher diskutieren nun auf dem 4. Süddeutschen Zeckenkongress in Stuttgart, wie das Zecken-Risiko eingedämmt werden soll.
Mit dem Frühling erwachen auch die Zecken. Denn die zu den Milbentieren gehörenden Blutsauger können schon bei Temperaturen ab sieben Grad aus der Kältestarre erwachen. Sie warten dann im Unterholz und hohem Gras auf passende Wirtstiere – meist sind dies kleinere Säugetiere, aber auch Hunde, Katzen oder ein vorbeikommender Mensch können den Zecken als Lieferant für ihre Blutmahlzeit dienen.
Zecken übertragen Viren und Bakterien
Das Problem dabei: Zecken können durch ihren Biss Krankheiten übertragen, wenn sie die Erreger in sich tragen. Bei uns in Deutschland sind dies vor allem zwei Krankheiten: Die von Bakterien verursachte Lyme-Borreliose kommt mit einem Nord-Süd-Gefälle in ganz Deutschland vor, je nach Gebiet sind bis zu ein Drittel der Tiere befallen. Schätzungen gehen von mehreren Zehntausend Neuerkrankungen pro Jahr aus.
Die von Viren ausgelöste Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) kommt dagegen bisher vor allem in Süddeutschland vor. Es gibt keine Medikamente gegen das Virus, den einzigen Schutz verspricht eine Impfung. FSME-infizierte Zecken, allen voran der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus), sind jedoch auf dem Vormarsch. Denn durch den Klimawandel sind Zecken bei uns inzwischen länger aktiv und breiten sich Richtung Norden aus.
Risikogebiete nehmen zu
Im Gegensatz zur Borreliose ist eine Ansteckung mit FSME in Deutschland noch relativ selten und war bisher auf den Süden beschränkt. Die Anzahl der gemeldeten Fälle schwankt üblicherweise um die 300 pro Jahr. Im Jahr 2017 wurden nun aber fast 500 Erkrankte gemeldet – so viele wie seit über zehn Jahren nicht mehr. Ein Grund dafür könnte das wechselhafte Sommerwetter des Jahres gewesen sein. So fielen die besonders warmen Tage, an denen es viele Menschen nach draußen zog, genau in die jahreszeitlich höchste Aktivität des Gemeinen Holzbocks, dem FSME-Hauptüberträger.
Die FSME-Hot-Spots – Regionen mit gehäuften Krankheitsfällen – haben sich 2017 allerdings verschoben. „Einige Landkreise, die über Jahre hinweg Erkrankungen meldeten, blieben im vergangenen Jahr völlig unauffällig. In anderen trat die Krankheit erstmals und gleich auch besonders gehäuft auf“, sagt Ute Mackenstedt, Parasitologin an der Universität Hohenheim.
Die Forscher beobachteten auch eine Ausbreitung der FSME-Fälle Richtung Norden. „Die Statistik zeigt uns ganz neue Hot-Spots in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Berlin“, so die Zeckenexpertin.
Bringen neue Arten auch neue Krankheiten?
Der Klimawandel bringt nicht nur höhere Temperaturen nach Deutschland, sondern auch neue Zeckenarten. Denn wegen der milderen Winter können sich nun auch Zecken aus südlicheren Gefilden bei uns etablieren. Die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) – ursprünglich aus Italien, Österreich und Ungarn stammend – breitet sich zunehmend in Deutschland aus. Auch in ihr haben die Forscher nun erstmals das FSME-Virus gefunden.
Einige Zeckenarten machen sich sogar aus noch südlicheren Gefilden zu uns auf den Weg. So ist die vor kurzem in Deutschland nachgewiesene Art Ixodes inopinatus – eine nahe Verwandte des Gemeinen Holzbocks – aus dem Mittelmeerraum hier eingewandert. „Noch ist nicht klar, wie lange diese Art schon in Deutschland heimisch ist und ob sie als FSME-Überträgerin in Frage kommt. Wichtig wäre auch abzuklären, ob mit ihr nicht neue Krankheiten nach Deutschland gelangten, wie etwa das Mittelmeerfieber“, sagt Mackenstedt.
Mit neuen Strategien gegen Zecken
Doch welche Strategien haben die Forscher, um das Zecken-Risiko einzudämmen? Zunächst wollen sie den Zecken endlich einen Schritt voraus sein. Anstatt nur die Statistiken der letzten Jahre auszuwerten, sollen Computermodelle künftig Prognosen erstellen wann und wo das Zecken-Risiko besonders hoch ist. Zusammen mit Daten zum Klima und Pflanzenwuchs könnte dann eine FSME-Vorhersage für das nächste Jahr möglich sein.
Ganz unter dem Motto „Kenne deinen Feind“ wollen die Forscher auch das Verhalten der Zecken besser verstehen, um Gegenmaßnahmen zu entwickeln. „Wenn Zecken einen Wirt suchen, wandern sie an Grashalmen nach oben und warten dort auf Warmblütler. Eine neue Studie aus Osteuropa deutet an, dass FSME-Viren dieses Suchverhalten von Zecken verlängern könnten“, erklärt Mackenstedt. Dem Krabbelverhalten der Blutsauger sollen dann Kameras auf die Schliche kommen.
(Universität Hohenheim, 07.03.2018 – YBR)